Kategorien
Rezension

Feuer und Schwert: Ein Beispiel für den Kampf um imperiale Vorherrschaft

Simon Scarrow liefert in seinem historischen Roman “Feuer und Schwert” Material, das zum Nachdenken über die aktuellen Geschehnisse auf der Welt einlädt. Die Schilderungen sind ein Beispiel dafür, was passiert, wenn um die Vorherrschaft ringende Imperien aufeinandertreffen.

Selbst der Autor Simon Scarrow hat sicherlich nicht bei der Konzeption und Niederschrift der Koinzidenz-Geschichte von Napoleon und Wellington daran gedacht, dass der Vergleich dieser beiden Generäle einmal als eine sehr bereichernde Folie für die Zeitgeschichte werden würde.

Im dritten Band dieser Tetralogie, “Fire and Sword. 1804. Napoleon has Europe ins his sights. Wellington will do anything to stop him. Who will win?”, sind die beachtlichen Triumphe beider bereits historisch dokumentiert.

Doch während Napoleon es mittlerweile fertig gebracht hat, sich zum Imperator mit monarchistischer Macht aufzuschwingen, kämpft das britische Pendant weiterhin unter dem Namen Wellesly immer noch um Anerkennung und die ihr entsprechende Stellung.

Simon Scarrow: Feuer und Schwert (Quelle: Gerhard Mersmann/YouTube)

Das British Empire wirkt allzu saturiert und das Anciennitätsprinzip (1) steht vor dem Prinzip der Leistung. Während Wellington und die ihn unterstützenden politischen Kreise dieses ändern wollen, in dem sie den Kampf um die Vorherrschaft durch eine direkte finale Auseinandersetzung mit dem Rivalen Frankreich auf die Tagesordnung setzen, haben auf der anderen Seite die Erfolge Napoleon zunehmend von der Einschätzung der Realität entfernt.

Der Konflikt ist geostrategischer Natur. Diese Einschätzung teilen die beiden Protagonisten. Nur die Rezeption der tatsächlichen Kräfteverhältnisse könnte unterschiedlicher nicht sein.

In dem Band zeigt sich zum einen, wie geopolitische Machtkämpfe ausgetragen werden. Sie finden zunächst an der Peripherie statt, in diesem Fall geht es um die maritim strategischen Stützpunkte Dänemark und Portugal. Und in beiden Fällen wirken die von Wellington beratenen Briten schneller und entschlossener.

Grande Armée, Nepotismus und Austerlitz

Während Napoleon seine Kräfte binden musste, um seinen Bruder Joseph (1768 bis 1844) in Spanien auf dem Thron etablieren zu können, beschlagnahmten die Briten die dänische Flotte und warfen die französischen Streitkräfte aus Portugal.

Auf französischer Seite ist zunehmende Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung wie in der Grande Armée (2) zu verspüren. Das Land ist zunehmend strategisch überdehnt und eine logische Konsequenz sind Risse in der Administration. Hinzu kommt der von Napoleon bewusst eingesetzte Nepotismus (3) und die um sich greifende Korruption. Dass da Gerüchte aufkommen, die durchaus realistische Nahrung haben, dass an einem Umsturz gearbeitet würde, liegt auf der Hand.

Die Resultate militärisch gar nicht mehr so glorreicher Erfolge wie die Schlacht bei Austerlitz (4) sind vage diplomatische Hoffnungen. Der von Napoleon forcierte Friede mit Russland ist ein Wunschkonstrukt mit eingefasstem Verfallsdatum. Und der Rigorismus des Korsen ersetzt nicht die Notwendigkeit umsichtiger Diplomatie.

Während die Risse im napoleonischen Imperium zunehmend deutlich sichtbar werden, setzt Wellington wie bereits seit langer Zeit auf nüchterne Analyse, logische Operation und eine nun auch in der Londoner Machtzentrale geschätzte Systematik.

Insofern sind die Zeichen für den weiteren Verlauf bereits sehr gut deutbar. Auch hier entwickelt die Schilderung Scarrows ein wunderbares Beispiel dafür, was passiert, wenn um die Vorherrschaft ringende Imperien aufeinandertreffen. Auch dieses Buch liefert eine Wagenladung an historischem Material, das zum Nachdenken über die aktuellen Geschehnisse auf der Welt reichlich einlädt.

Informationen zum Buch

Feuer und Schwert

Die Napoleon Saga (3)

Originaltitel: Fire and Sword (Headline Books, London 2009)

Autor: Simon Scarrow

Übersetzung: Aus dem Englischen von Fred Kinzel

Genre: Historischer Roman

Sprache: Deutsch

Seiten: 816

Erscheinung: September 2020

Verlag: Heyne

ISBN: 978-3-453-47169-6

Über den Autor

Simon Scarrow (Jahrgang 1962) wurde in Nigeria geboren und wuchs in England auf. Er arbeitete erst im öffentlichen Dienst und nach dem Studium als Dozent für Geschichte im englischen Norfolk. Seit 2005 ist er hauptberuflich als Schriftsteller tätig.

Scarrow schreibt vor allem historische Romane. Seine Roman-Serie über die römische Invasion Britanniens, die mit dem Werk „Under the eagle“ beginnt, machte ihn als Autor bekannt. Das Leben Napoléon Bonapartes und Arthur Wellesleys verarbeitete er ebenfalls in einer Roman-Serie. 2006 erschient mit Young Bloods der erste Teil. Es folgten The Generals (2007), Fire and Sword (2009) und The Fields of Death (2010).

2019 veröffentlichte Simon Scarrow zusammen mit T. J. Andrews den Einzelband Pirata. Dieser erschien in deutscher Übersetzung im Heyne Verlag 2022 unter dem Titel Piraten. Die Handlung spielt 25 n. Chr., also wieder zurzeit des Römischen Reiches. Das Handelsschiff, auf dem der junge Telemachos angeheuert hat, wird von Seeräubern gekapert. Telemachos schließt sich den Piraten an, lernt ihre Art des Lebens kennen und wird einer von ihnen.

Quellen und Anmerkungen

(1) Anciennität ist die Rangordnung, die sich aufgrund der Zugehörigkeitsdauer zu einem Gremium oder einer Gruppe beziehungsweise aufgrund des Dienstalters ergibt. Seniorität bezieht sich dagegen auf das tatsächliche Alter.

(2) La Grande Armée ist der Name, den die kaiserlich-französische Armee zwischen 1805 und 1815 während der Zeit des Französischen Kaiserreichs unter Kaiser Napoleon I. zeitweilig führte. Nicht zur Grande Armée gehörig waren jedoch die Teile, die nicht vom Kaiser persönlich befehligt wurden wie zum Beispiel die französischen Invasionskräfte in Spanien und Portugal. Diese wurden als Armée d’Espagne bezeichnet.

(3) Nepotismus (oder auch Vetternwirtschaft) bezeichnet eine übermäßige Vorteilsbeschaffung durch und für Familienangehörige oder andere Verwandte oder enge Freunde.

(4) Die Schlacht bei Austerlitz, heute eine Kleinstadt etwa 20 Kilometer östlich von Brünn in Mähren (Tschechien) gelegen, wurde am 2. Dezember 1805 ausgetragen. Sie zählt zu den bekanntesten Schlachten der Napoleonischen Kriege. Ein französisches Heer unter Napoleon I. besiegte eine Allianz aus österreichischen und russischen Truppen.


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!

Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.

Foto: Gemälde von Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin; Ursprung unbekannt (gemeinfrei).

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Wie ist Deine Meinung zum Thema?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.