Unser wichtigstes Instrument, die “Kritik aller Verhältnisse, in denen der Mensch nicht als Mensch lebt” (1), droht uns aus der Hand geschlagen zu werden.
- Wenn die Kritik am Krieg als “rechts” diffamiert werden kann, wenn der Widerstand gegen die Zerstörung von Demokratie und Menschenrechten als “rechts” verurteilt und verfolgt werden kann,
- wenn diejenigen, die den Putsch, mit dem das Coronaregime installiert worden war, nicht zur Verantwortung gezogen werden, sondern die nächste Etappe der Verschärfung und Fortsetzung dieses Regimes öffentlich vorbereiten können,
- wenn diejenigen, die dieses Regime mitgetragen haben, ohne sich zu entschuldigen, wieder an dem Punkt anknüpfen können, an dem sie uns verraten haben, und wenn diejenigen, die sich als unsere Anwälte und Verteidiger gegen die zunehmende Willkür des Staatsapparats angeboten hatten, nun wieder zu ihrer alten Rolle der Klage des Bedauerns über die Folgen des Putschregimes zurückkehren wollen, als sei nichts geschehen,
dann ist die von Herbert Marcuse beschriebene Paralyse der Kritik vollendet. (2) Kritik als Voraussetzung, als Motor aller Wissenschaft und Aufklärung ist tot, der bloße Positivismus der Gewalt, der blanke Behaviorismus der Schönen neuen Welt ist an seine Stelle getreten.
Die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) hat diese Entwicklung mit ihren Kongressen von Anfang an problematisiert: Eine Revue der letzten zwölf Jahre.
1990: Die Wende und Träume von 68
Vielleicht haben Sie den letzten Kongress erlebt. (3) Er war in mehrfacher Hinsicht ein besonderer – von der Thematik her, von der Gestaltung. Der einzige psychologische Kongress, der sich mit dem Thema der Corona-Inszenierung als Inszenierung beschäftigt hat, vielleicht der einzige Kongress zu diesem Thema überhaupt, und der ganz wesentlich getragen war von denen, die die Kritik der Corona-Inszenierung politisch artikuliert haben und auf die Straße getragen haben.
Die NGfP war eine Ausnahme. Sie hat von Anfang an den politischen Charakter einer Inszenierung behauptet und sich gegen den medizinischen Diskurs gerichtet:
“Der Diskurs der Macht hat das Virus für seine Zwecke okkupiert – nicht umgekehrt.” (4)
Wie war das möglich? Was war der Preis dafür?
Gegründet 1990, im Jahr der “Wende“, wenn auch nicht ihr Ergebnis, so doch durch sie beflügelt, die Träume von 68′ noch einmal zu träumen. Das Realitätsprinzip, das das der alten Zeit geblieben war, war aber stärker und durch die Wende eher verstärkt worden. Viele Jahre wurde die NGfP kommissarisch weitergeführt. Erst 2008 wurde sie von einer Gruppe kritischer Studenten wieder aufgeweckt mit einem Kongress zum Thema “Können Marginalisierte (wieder)sprechen: Zum politischen Potenzial der Sozialwissenschaften”.
Der Erfolg hat die NGfP unabhängig gemacht – oder hatte sie so großen Zuspruch, weil sie unabhängig war? Schließlich ist die Neue Gesellschaft für Psychologie ja keine als Berufsverband organisierte Fachgesellschaft, sondern eine Wissenschaftsgesellschaft.
Sie musste sich nicht um das kümmern, was man “Standespolitik” nennt: Schlupflöcher innerhalb des vorgegebenen Rahmens finden, in denen man noch etwas rausholen kann. Sie hat Politik vielmehr im Sinne der Bildung kritischen Bewusstseins verstanden, und zwar der Psychologen selbst, die gesellschaftskritische Perspektive in die Diskussion der Wissenschaft Psychologie hinein zu tragen. Die NGfP hat sich “politisiert”.
Die NGfP hat das Thema der Wissenschaftskritik zugespitzt auf die Funktion innerhalb der Gesellschaft, speziell die Rolle der Psychologie und der Psychologen – als “Intellektuelle”, “TUIs” (Bertolt Brecht). Sie hat es in der Perspektive von Michel Foucault formuliert, nämlich als Problem von Diskursen, die sie zugleich praktisch gewendet hat.
Die Neue Gesellschaft für Psychologie war nie eine abgeschottete Wissenschaftsgesellschaft, sie hat sich immer in den politischen Diskurs eingeschaltet, nicht nur den wissenschaftskritischen, sondern den gesellschaftskritischen; die jeweils aktuellen gesellschaftlichen politischen Diskurse lieferten die Themen ihrer Kongresse.
Das zeigte sich in jedem einzelnen Kongress, der in einem grundlegenden Sinn interdisziplinär und zugleich politisch ausgerichtet war. Vertreter eines breiten Spektrums sozialwissenschaftlicher Fächer referierten zu Themen der aktuellen politischen Agenda.
2010: Macht, Kontrolle und Evidenz
Bereits mit dem ersten Kongress mit dem Thema “Macht – Kontrolle – Evidenz” von 2010 (5) waren die entscheidenden Dimensionen ihrer Arbeit am Beispiel der klinischen Psychologie benannt. Unter den Bedingungen von Macht dient die Psychologie den Aufgaben der Kontrolle unter Verweis auf wissenschaftliche Evidenz. Ein Symposium zum Thema Studienreform war diesem Kongress vorausgegangen.
Es folgten Kongresse zur Sozialpsychologie des Kapitalismus, zur Militarisierung der Gesellschaft und der Kriegsvorbereitung, zu Migration und Rassismus, zur Spaltung der Gesellschaft, zur Paralyse der Kritik und der Gesellschaft ohne Opposition, zur Rolle der Intellektuellen als Stützen der Gesellschaft, zu Digitalisierung als Sirenengesänge oder Schlachtruf einer kannibalistischen Weltordnung bis hin zur Corona-Inszenierung.
Die psychologische Frage dabei war: Wieso wirken bzw. worin liegt die Wirkung der gesellschaftlichen politischen Diskurse? Entscheidend für die Wirkung politischer Diskurse ist natürlich, dass es sich um Diskurse handelt, die mächtige Institutionen führen. Aber die Macht, die Machtposition ist nur die Basis dafür, dass sie diesen Diskurs führen können, dass sie ihn in großem Ausmaß und mit großer Verbreitung führen können. Gewiss auch deshalb, weil man der Macht eher glaubt als den Machtlosen, den Kritikern, denen man den Zugang zu den Medien erschweren oder gar versperren kann. Interessant sind deshalb immer Vergleiche mit anderen Zuständen als den aktuell vorliegenden und untersuchten. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen dieser Macht-“Bonus” nicht funktioniert.
Der letzte große Einbruch dieses Macht-“Bonus” war in den 1960er-Jahren, konkret in der Phase 1968. Peter Brückner nennt diese Zeit eine der gelockerten Loyalität gegenüber der Macht – dies wurde beim NGfP-Kongress 2011 unter dem Titel “Sozialpsychologie des Kapitalismus” (6) thematisiert.
Wenn diese Loyalität jetzt wieder drastisch gestiegen ist, so handelt es sich dabei nicht um den bekannten Autoritarismus, vielmehr wird die heutige Loyalität der Macht gegenüber getragen von dem Selbstbewusstsein, autonomes Subjekt des Handelns zu sein (siehe Luc Boltanski & Ève Chiapello; 7) – welch eine Selbstverkennung!
Es gehen dabei Teile des Bewusstseins der 68er-Jahre in die Affirmation der Macht ein. Dies erscheint wie eine Verkehrung ins Gegenteil, so wie uns heute tatsächlich im Sinne Orwells zugemutet wird, Krieg als Krieg für die Freiheit zu verstehen; oder fragloses Befolgen von staatlichen Anweisungen – unzumutbaren bis unsinnigen – als Solidarität, aber natürlich nicht mit dem anderen Mitmenschen, sondern mit dem Staat: eine Solidarität, die sich streng an die Aufforderung hält, Abstand vom anderen zu halten und ihn durch das Tragen einer Maske zu “schützen”, die einem selber schadet.
Dass es sich um Loyalität gegenüber der Macht handelt und nicht um Souveränität des selbstbestimmten Subjekts erkennt man an Symptomen, die die eigene Selbstverleugnung, das Ressentiment des Zukurzgekommenen zeigen: an der ungeheuer aggressiven Emotionalität gegenüber denen, die sich nicht loyal den Anweisungen gegenüber zeigen und die nicht apportieren.
Wenn Loyalität gegenüber der Macht die Bedingung für die Compliance ist, greifen alle Manipulationstheorien fehl, die die Wirkung der Manipulation ausschließlich auf die Signifikanten des Diskurses der Macht legen – sei es auf formale wie Wiederholung, sei es auf inhaltliche, die “Argumente”, das “Narrativ”. Die “Argumente”, die Narrative sind im Wesentlichen die Rechtfertigung – des Subjekts vor sich selbst – für seine Compliance, die “Rationalisierung” wie Freud sagte. Ebenso wie sie umgekehrt dem “Sender” dazu dienen, seine Gründe, seine Absichten zu verstecken: “Verstecken durch Zeigen” (vergl. Noam Chomsky und Pierre Bourdieu; 8).
Es müssen außerdem die Bedingungen der Herausbildung von Loyalität selbst berücksichtigt werden: die sozialen, politischen, gesellschaftlichen auch kulturellen Bedingungen, vor allem die Geschichte ihres Entstehens und ihrer Wirkung in den Institutionen Familie, Beruf und Freizeit. (9)
2012: Wirkung von Macht und Glücksversprechen
Der Kongress 2012 thematisierte mit “Machtwirkung und Glücksversprechen” (10) die inhaltliche Dichotomie von Verstecken und Zeigen am Beispiel von Sozialisation und Bildungsprozessen. Das Versprechen auf sozialen Aufstieg, das mit dem Angebot von Bildung, Schule und Beruf behauptet wird, hinter dem aber die tatsächliche Macht der Verhältnisse versteckt wird: die Benachteiligung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus sozial “unteren” Verhältnissen.
Für das Verstecken beziehungsweise die Rationalisierung ist es allerdings nicht gleichgültig, welches Argument angeboten bzw. benutzt wird. Dieses ist abhängig von kulturellen Faktoren, also solchen, die für das Selbstverständnis, das Selbstbild der zu überzeugenden Person von Bedeutung waren oder sind. Und deshalb ist es auch nicht verzichtbar, der Rationalisierung zu begegnen. Allerdings reicht es nicht aus, die Narrative, die Argumente als Argumente zu widerlegen. Aufklärung muss an die Gründe ran, die durch die Rationalisierung verdeckt werden. (11)
Dies zu behindern, so weit wie möglich aufzuschieben, ist ebenso die Funktion des Diskurses der Macht wie die andere Funktion, uns zur Compliance zu verführen. Die überwältigende Bedeutung dieser Macht des Diskurses konnten wir während der Pandemie-Inszenierung beobachten. Es genügte die bloße Behauptung einer alle und alles erdrückenden Gefahr, um eine ganze Bevölkerung in reflexhafte Unterwerfung unter unsinnigste Anweisungen zu bewegen. Aber immer wieder ist zu betonen: die Voraussetzung für diese Wirkung der Inszenierung war die lange vorbereitete Reconquista der Loyalität der Bevölkerung.
Mit den beiden Kongressen zum Krieg 2013 und 2014 bahnte sich die erste Herausforderung an, mit der sich die Neue Gesellschaft für Psychologie konfrontiert sah. Wir erkannten, dass im Zusammenhang mit dem Thema Krieg ein neues Narrativ in den Diskurs eingeführt wurde: das Narrativ der Verantwortungsübernahme. (12)
Kritik an der stattfindenden Militarisierung der Civil Society, also an der Kriegsvorbereitung, wurde mit diesem Narrativ folgerichtig als “Verantwortungslosigkeit” und “Glücksüchtigkeit” (Gauck) diffamiert.
In der Diskussion auf dem ersten der beiden Kongresse, der den Titel “Trommeln für den Krieg” trug (13), wurden von einem der Referenten die inzwischen von den “Meinungsmachenden” Maschinen massiv in die Diskussion gebrachten Begrifflichkeiten des “wehrhaften Friedens” bzw. der “wehrhaften Demokratie” verteidigt. Es ist eigentlich ein Beispiel für Verstecken durch Zeigen. Auf der Ebene des Zeigens der Begriffe wird etwas angeboten, ein Versprechen, dass man nicht sofort zurückweisen möchte, während darunter versteckt wird, was man nicht so ohne Weiteres anzunehmen bereit ist: nämlich die allmähliche Vorbereitung auf den Krieg.
Man könnte es auch als Aushöhlung der Begriffe bezeichnen. Einleuchtend ist, dass weder der, der dieses Spiel betreibt, noch derjenige, der ihm auf den Leim geht, damit konfrontiert werden möchte. Dass ich das auf dem Kongress getan habe, war ein kleiner Skandal. Aber im Nachhinein konnten wir feststellen, dass es die Ankündigung einer tatsächlichen Kampfansage war.
Denn wir hatten zum zweiten Kongress gegen den Krieg (2014) Moshe Zuckermann eingeladen. (14) Das war damals bereits nicht ungefährlich. Also mussten wir uns auf Störungen vorbereiten und tatsächlich saßen dann im Auditorium im großen Hörsaal an vier Ecken verteilt Vertreter der Antisemitismus-Schnüffler oder Verleumder.
Wenn wir auch dieser Provokation gut begegnen konnten, allein schon, weil Zuckermann selbst mit derartigen Angriffen vertraut und in der Abwehr gut geübt war, so wurde damit Ruhe noch nicht wiederhergestellt. Die Kritik der Oberfläche der politischen und medialen Diskurse und unsere Bemühungen, die durch diese Diskurse verdeckten Interessen und Strukturen offenzulegen, war immer wieder gegen die sich von allen Seiten ausbreitende und immer stärker werdende Affirmation der Entpolitisierung, der Diskursmanipulation zu behaupten.
2016: Migration, Rassismus und Gänseprediger
Auf dem Kongress “Migration und Rassismus” (2016) war unsere Kritik an der sogenannten Flüchtlingspolitik – die Kritik an der mit breiter Euphorie bejubelten kurzen Öffnung der Grenzen – und deren Missverständnis als Willkommenskultur auf starke Ablehnung gestoßen. (15) Zwar blieb die Öffnung der Grenzen nicht von langer Dauer, denn sie wurden sehr schnell wieder dichtgemacht, aber die Verblendung blieb. Die Inszenierung des politischen Kampfes gegen Angela Merkel rief große Sympathien der Unterstützung der Kanzlerin hervor, die sich widerstandslos in das Narrativ der “Sozialdemokratisierung” eben unter Merkel lenken ließen. Das Spiel des Versteckens durch Zeigen nahm Fahrt auf.
Die erste ernsthafte Herausforderung stand noch bevor: die Verleumdung unserer Arbeit als antisemitische. Die Vorwürfe waren wie inzwischen standardmäßig: ein Interview mit Ken Jepsen, aber dann auch die Einladung von Moshe Zuckermann, damals noch scharfer Kritiker der israelischen Politik. Der Antisemitismus-Vorwurf war damals sozusagen im Stadium der Generalprobe; der Antisemitismusbeauftragte war installiert worden.
Nicht zufällig haben die Psychologen gleich ein neues Arbeitsfeld gefunden, nämlich überall Antisemitismus zu entdecken – sogar selbst in der Kritik des Kapitalismus.
Und auch nicht zufällig war diese Verdächtigung oder Verleumdung aus den Reihen derer entstanden, die das Entstehen und das größer werden der NGfP argwöhnisch konkurrenzhaft verfolgten, nämlich aus der Frankfurter Gruppe der kritischen Psychologie und der politischen Psychologie – man kann dies immer noch im Internet finden. Es ist dokumentiert im Band “Paralyse der Kritik – Gesellschaft ohne Opposition” (16) aus dem Jahr 2018.
Hier bereits spielte das Wissen um den Einsatz des Antisemitismus-Narrativs und die Wirkungsweise des Diskurses der Macht eine wichtige Rolle, um als Neue Gesellschaft diese Attacken zu überstehen.
Die Beobachtungen in der Auseinandersetzung mit der Antisemitismus-Verleumdung, dass es Leute aus den eigenen Reihen und aus der eigenen Schicht waren, solche, die wir als kritische linke Kolleginnen kennengelernt haben, haben wir im nächsten Kongress 2019 thematisiert: über die Rolle der Intellektuellen als “Stützen der Gesellschaft”. (17)
Ihre Stellung zwischen den Institutionen der Macht und der Bevölkerung, denen, die sie dieser Macht zugewandt machen sollen, ist die Personifikation des Versteckens durch Zeigen: Sie können ihre Funktion als “wissenschaftliche”, “künstlerische, “therapeutische” usw. beschönigen, wie in der Figur des Gänsepredigers im Domhof von Regensburg dargestellt, der, während er den Wolf hinter seinem Rücken versteckt, die Gänse mit seiner Rede von dem ablenkt, was sie erwartet.


Das Denkmal des Intellektuellen: ein Mönch, der den Gänsen predigt. Predigen, das ist die Aufgabe bzw. eine der Aufgaben des Intellektuellen als TUI. Die Darstellung von Josef Michael Neustifter (1980) geht auf die Fabel von der Gänsepredigt zurück. Während ein Mönch predigend vor Gänsen steht, öffnet sich der Mantel am Rücken und seine wahre Gestalt wird sichtbar – der Wolf, der eine Gans am Hals ergreift. (siehe Helmut-Eberhard Paulus: Regensburger Brunnen und Plätze; Regensburg 1998, S. 54f.; Karl Bauer: Regensburg. Aus Kunst-, Kultur- und Sittengeschichte; Regensburg 1988, S. 71.. (beide Fotos: Hajotthu, CC BY-SA 3.0)
Andererseits ermöglicht ihnen, den “Mönchen”, diese Zwischenstellung, ihre Funktion umzukehren, sie also gegen die Macht zu richten. Angesichts dieser Möglichkeit der Position des Intellektuellen fragt man sich: Waren sich unsere Intellektuellen ihrer Macht bewusst? Oder für wen, für welche Seite haben sie Ihre Macht eingesetzt?
Diskurs der Macht
In den Händen der Herrschenden ist der Diskurs ein mächtiges Instrument. Er gestattet, Macht über die Subjekte auszuüben, gerade indem er sie als Subjekte anerkennt. Es ist dies eine Macht, der man die Macht nicht ansieht. Sie wirkt nicht – oder nur im Grenzfall – durch Drohung, Befehl oder Vorschrift, sondern sie wirkt durch “Überzeugung”, durch Behauptung, Belehrung, durch “Zeigen”. Sie wirkt, indem sie »anstachelt«, »eingibt«, »ablenkt«. (Nur) »im Grenzfall nötigt oder verhindert sie vollständig; aber stets, sofern die Subjekte handeln oder zum Handeln fähig sind. Stets bleiben die Subjekte ihrer Einwirkung als solche anerkannt« (Michel Foucault). (18)
Damit bietet der Diskurs der Macht dem Subjekt die Möglichkeit, sein Folgen, sein Befolgen, sein Handeln als selbstbestimmtes zu erleben, einfach dadurch, dass das Subjekt in den Diskurs einsteigt und sich gemäß seiner Regeln in diesem bewegt und das Narrativ weiter entwickelt.
Das Narrativ ist nicht einfach eine Erzählung, sondern ein Dispositiv, eine Maschine zur Produktion von Erzählungen, die zugleich die Perspektive von naheliegenden Handlungen zwingend eröffnen.
Das Narrativ verengt den Spielraum der möglichen Handlungen auf die als notwendig behaupteten und entlässt den Anordnenden aus seiner Verantwortung: So wie das Narrativ vom neuartigen, gefährlichen oder tödlichen Virus die Maßnahmen zur Verhinderung seiner Ausbreitung geradezu zwingend nahelegt und das Narrativ von Putins mörderischem Krieg die kriegerischen Maßnahmen “mit aller Schärfe” geradezu fordert.
Verantwortlich für die Maßnahmen bzw. deren Folgen ist allein die im Narrativ definierte “Ursache”: in der Corona Pandemie-Inszenierung das Virus, im Krieg gegen Putin dessen völkerrechtswidriger Überfall auf das Nachbarland Ukraine.
Das Narrativ ist der zentrale Angelpunkt der “Begründung” der Maßnahmen, es legt die Folgen fest, selbst dann, wenn man gegen diese Maßnahmen Stellung bezieht, solange man am Narrativ, also der Begründung der Maßnahmen festhält. “Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität”. Deshalb ist auch das “Manifest für Frieden” von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, das bereits weit über eine halbe Million Unterschriften gesammelt hat, nicht für Frieden um jeden Preis (Karl Kraus; 19) – im Gegenteil, es unterstützt die Ziele der Kriegstreiber.
Die Härte der Maßnahmen bestätigen das Narrativ, sie bestätigen die Größe der Gefahr, die mit diesen Maßnahmen bekämpft werden muss: Je mehr Waffen an die Ukraine geliefert werden, desto gefährlicher muss wohl der Feind, also Putin (gewesen) sein, denn sonst müsste man ja nicht die Waffenlieferungen ständig verschärfen.
Krieg, Terror und Idolatrie
Der Krieg setzt den Terror der Corona-Pandemie-Inszenierung fort. Diese Inszenierung war selbst lange vorbereitet. Sie wurde mit einer Überrumpelung der Bevölkerung ins Werk gesetzt, deren dadurch herausgeforderte Loyalität mit allen Registern des Diskurses der Macht aufrechterhalten und stabilisiert werden musste und wurde.
Seine Methode, das Verstecken durch Zeigen, durch falsche Behauptungen, falsche Versprechen, hat aus der Loyalität der Bevölkerung, auf die er aufgebaut hat, eine aggressive Affirmation gemacht, die sich zugleich gnadenlos und erbittert gegen jede Kritik abgeschottet hat – der psychische (psychologische) Ausdruck jener “kannibalistischen Weltordnung“, die von ihrem Propagandisten Klaus Schwab euphemistisch als neue Normalität apostrophiert wurde.
Die derzeitige Kriegspropaganda steigert allerdings die Brutalität der Diffamierung, Verleumdung und Verachtung, die wir bereits in der Corona-Inszenierung erlebt hatten, ins Bedrohliche. Ihre Frontkämpfer scheinen keine Grenzen mehr zu kennen, werden förmlich zu Häschern; so wie der schnöselhafte Kabarettist mit dem Banker Outfit, der am 22. Februar 2023 im “Politischen Aschermittwoch” in unflätigster Weise über Wagenknecht und Schwarzer hergezogen ist nach dem Schema Kritik und Widerspruch als rechts zu disqualifizieren. Er schämt sich nicht, den Goebbels zu machen oder “den Bluthund zu spielen”.
Alles, was jedem Krieg eigen ist, Zerstörung, Verwundung, Vergewaltigung, Tötung wird allein den Russen vorgeworfen, – obwohl das Putschregime der Ukraine alle diese Gräuel bereits seit 2014 der Bevölkerung im Donbass zugefügt hat – und das ohne Protest von unserer jetzt so empörten Seite!
Inzwischen wird in der TV-Seriensendung History der Erste Weltkrieg unter der Überschrift “Russlands Kriege” geführt, obwohl man diesen ersten Weltkrieg als einen Russland aufgezwungenen Krieg bezeichnen könnte, ebenso wie den zweiten und den bevorstehenden dritten.
Unglaublich und zutiefst erschütternd ist es, bei der Wiedergeburt dessen dabei zu sein, was wir beim Blick auf die Geschichte des Nationalsozialismus nicht glauben konnten: die grenzenlose Idolatrie der Führerfiguren in Wort und Bild. Ein Beispiel unter vielen: Wenn Reinhard Veser in der FAZ vom 23. Februar 2023 in einem ganzseitigen Beitrag über Wolodymyr Selenskyj, den Präsidenten der Ukraine, die Überschrift verwendet “Er ist da”, kommt die Erinnerung an den Film über die Wiederauferstehung Hitlers zurück, der den Titel trug “Er ist wieder da”.
Während der Zeit der Corona-Pandemie-Inszenierung wurden andererseits die Vorbereitungen getroffen und erste Schritte ausprobiert, um zu einem neuen Herrschaftsmodus überzugehen, nämlich zum behavioristischen Modell von Verhaltenskontrolle durch Nudging und Credit Points (20). Voraussetzung dafür wäre allerdings die Abschaffung des Geldes oder wie Klaus Schwab beschönigend es ausdrückt: “… ihr werdet nichts mehr besitzen, aber glücklich sein”.
2020: Schlachtruf einer kannibalistischen Weltordnung
Mit dem Kongress 2020 über “Digitalisierung als Sirenengesänge oder Schlachtruf einer kannibalistischen Weltordnung” (21) haben wir den Übergang vom Diskurs der Macht zum Behaviorismus bereits thematisiert. Das wichtigste trojanische Pferd für diesen Übergang ist das Smartphone, der ständige Begleiter, hilfreiche Unterhalter und zugleich Überwacher seines Trägers ebenso wie Informant des großen Bruders.
Der Kongress zur Corona-Pandemie-Inszenierung konnte erst 2022 aus Gründen der Schikanen der Pandemie-Inszenierung durchgeführt werden, also eineinhalb Jahre nach der regulär vorgesehenen Zeit. Wir haben aber die Zeit genutzt, um einen Band außerhalb der Reihe der Kongressbände zum Thema “Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird” herauszugeben – zum Thema des Diskurses der Macht und der gesellschaftlichen und psychologischen Voraussetzungen seiner Wirksamkeit.
Eine wichtige Grundlage, auf der der Diskurs der Macht aufbaut, ist die Loyalität der Bürger zu ihrem Staat. Diese ist das Produkt nicht des Augenblicks, sondern einer Entwicklung – der Sozialisation. In die Sozialisation gehen viele wirkende Faktoren ein, nicht nur die Sprache, der Diskurs, sondern auch die ökonomische Situation selbst, die soziale Herkunft, damit also Politik und Geschichte.
Der Diskurs der Macht charakterisiert eine Herrschaftsausübung, hinter der sich die tatsächliche gesellschaftliche Macht verstecken kann, der die Machtausübung selbst nur in der Form der Verführung, des Nahelegens, des Anstachelns (vergl. Michel Foucault) erscheinen lässt.
Dass diese Herrschaftsausübung eine eminent psychologische ist oder besser gesagt, das Feld der Psychologie nicht nur peripher betrifft, wird deshalb nicht verstanden, weil Psychologie in medizinisch-psychoanalytischer Tradition auf die sogenannten inneren “seelischen Kräfte des Individuums” reduziert wird, ohne deren Bedeutung als Antworten bzw. Stellungnahmen des Individuums – auf die Herausforderungen der anderen und nicht zuletzt der Macht – zu berücksichtigen oder gar zu verstehen oder – im Behaviorismus – aber im Sinne von Verhaltenskonditionierung durch Auslösereize – also auch nicht als Antwort, nicht als Stellungnahmen.
Dieser Einengung der Sichtweise entspricht auch die gesellschaftliche Praxis des Psychologen als Therapeut, Couch oder Sozialarbeiter – völlig ungeachtet ihrer (gerade in der Corona-Inszenierung) wichtigen Rolle als Berater und Stichwortgeber im Diskurs der Macht. (22)
Aus dieser Einengung ist auch die erschütternde politische Abstinenz des größten Teils der Psychologenschaft zwar nicht zu erklären, aber doch naheliegend, sozusagen als Rationalisierung oder Ausrede. Diese Einengung kann als Verkehrung verstanden werden: Verkehrung nämlich der Einflussrichtung von Gesellschaft auf das Individuum statt umgekehrt die Psyche als Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen zu verstehen (die Ausnahme: Alfred Adler).
Der Preis für Unabhängigkeit in der schmutzigen Zeit
“Die Neue Gesellschaft ist ein Erfolgsprojekt”, hatte der langjährige zweite Vorsitzende Christoph Bialluch in den ersten Jahren unserer Vorstandsarbeit fröhlich verkündet. Die Probe aufs Exempel musste irgendwann kommen. Die erste Herausforderung war die Antisemitismusverleugnung gegenüber der Arbeit der NGfP. Die Neue Gesellschaft für Psychologie hat diese gut überstanden.
Die Herausforderung durch die Corona-Pandemie-Inszenierung war die zweite Probe. Auch diese hat die NGfP bestanden, allerdings mit nicht geringen Verlusten an Mitgliedern: der Preis für Unabhängigkeit in dieser schmutzigen Zeit, wie es Giorgio Agamben die letzten drei Jahre genannt hat. (23) Die NGfP hat aber auch viele neue Freunde gewonnen. Mit ihnen wollen wir weiter arbeiten.
Wir haben auch viel gelernt über die Wirkung des Diskurses der Macht, die gewichtiger sein kann als die der Ökonomie, der Lebenslage der Menschen, wichtiger als die eigene Erfahrung (über die Macht), aber trotzdem auf dieser aufbauend, auf den Geschichten, die die Macht von sich erzählt, also auf ihre Interpretation dessen, was sie mit den Menschen macht.
Quellen und Anmerkungen
(1) siehe Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung (1844, MEW, S.378ff.).
(2) Thema des Kongresses der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) 2018 in Berlin: Paralyse der Kritik – eine Gesellschaft ohne Opposition. Informationen auf https://www.ngfp.de/kongresse/ngfp-kongress-2018/ (abgerufen am 14.3.2023).
(3) NGfP-Kongress 2022: Eröffnungsansprache Klaus-Jürgen Bruder. Auf https://vimeo.com/746607104 (abgerufen am 14.3.2023).
(4) Neue Gesellschaft für Psychologie (2020): Der Diskurs der Macht hat das Virus okkupiert – nicht umgekehrt. Auf https://www.ngfp.de/2020/03/der-diskurs-der-macht-hat-das-corona-virus-okkupiert-dazu-einige-widerstaendige-wortmeldungen-aus-dem-kreis-der-freunde-der-neuen-gesellschaft-fuer-psychologie/ (abgerufen am 14.3.2023).
(5) Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Bernd Leuterer (Hrsg.): Macht – Kontrolle – Evidenz. Auf https://klaus-juergen-bruder.de/macht-kontrolle-evidenz (abgerufen am 14.3.2023).
(6) Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch und Benjamin Lemke (Hrsg.): Kongressband 2012 der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP); Sozialpsychologie des Kapitalismus – Heute. Zur Aktualität Peter Brückners. Auf https://klaus-juergen-bruder.de/massenloyalitaet-zur-aktualitaet-der-sozialpsychologie-peter-brueckners (abgerufen am 15.3.2023).
(7) Klaus-Jürgen Bruder: Selbstthematisierung. Making the self a subject of discussion; in: Journal für Psychologie, 13 (2005) 3; https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/1718 (Link abgerufen am 16.3.2023).
(8) Noam Chomsky (2002): Media Control. New York: Seven Stories Press [dt.: Media Control. Hamburg: Europa Verlag 2003]. Pierre Bourdieu (1996): Sur la télevision. Liber – Raison d’agir. [dt.: Über das Fernsehen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998].
(9) siehe dazu: Almuth Bruder-Bezzel und Klaus-Jürgen Bruder (Hrsg.); Macht – Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird (Westend Verlag, Frankfurt/Main 2022).
(10) Klaus-Jürgen Bruder (2014): Sozialisation, mit dem Problem der Integration verbunden. Verfügbar als PDF auf https://klaus-juergen-bruder.de/wp-content/uploads/2017/08/Sozialisation.pdf (abgerufen am 16.3.2023).
(11) “Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muss gestürzt werden durch materielle Gewalt.” Karl Marx (1844): Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. MEW 1, S. 385.
(12) Klaus-Jürgen Bruder (2015): Diskurs der Verantwortungsübernahme. Verfügbar als PDF auf https://klaus-juergen-bruder.de/wp-content/uploads/2017/08/KJB_2015_14_Diskurs-der-Verantwortungsuebernahme.pdf (abgerufen am 16.3.2023).
(13) Klaus-Jürgen Bruder (2014): “Nicht zum Frieden, man muss zum Krieg planvoll erziehen”. Verfügbar als PDF auf www.film-und-politik.de/BRK-SYP.pdf (abgerufen am 16.3.2023).
(14) Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Jörg Hein (Hrsg.): Krieg um die Köpfe (Psychosozial-Verlag 2016). Leseprobe verfügbar auf https://www.psychosozial-verlag.de/pdfs/leseprobe/9783837925401.pdf (abgerufen am 16.3.2023).
(15) Rubikon (3.9.2017): Der Krieg trägt seine Früchte zu uns. Auf https://www.rubikon.news/artikel/der-krieg-tragt-seine-fruchte-zu-uns (abgerufen am 16.3.2023).
(16) Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Bernd Leuterer, Jürgen Günther (Hrsg.): Paralyse der Kritik – Gesellschaft ohne Opposition? (Psychosozial-Verlag 2019). Leseprobe verfügbar auf https://www.psychosozial-verlag.de/pdfs/leseprobe/9783837928785.pdf (abgerufen am 16.3.2023).
(17) Klaus-Jürgen Bruder (2019): Stützen der Gesellschaft – die Position der Intellektuellen im Diskurs der Macht. Auf https://klaus-juergen-bruder.de/wp-content/uploads/2019/03/Stützen_der_Gesellschaft.pdf (abgerufen am 16.3.2023).
(18) Michel Foucault (1982). The Subject and Power. In Hubert L. Dreyfus & Paul Rabinow (Eds.), Michel Foucault: Beyond Structuralism and Hermeneutics. Chicago, 2o8-226 [dt.: Das Subjekt und die Macht. In: Hubert L. Dreyfus & Paul Rabinow (Hrsg.): Michel Foucault: Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik. Frankfurt/M. 1987, 241-261, 255].
(19) Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog. In vier Heften der „Fackel“; Wien 1918 (Epilog) und 1919 (Vorspiel und Akte 1–5).
(20) Almuth Bruder-Bezzel und Klaus-Jürgen Bruder: Statt der Grundrechte das “Gesetz” des behavioristischen Rattenexperiments. Auf https://www.ngfp.de/2021/02/statt-der-grundrechte-das-gesetz-des-behavioristischen-rattenexperiments/ (abgerufen am 16.3.2023).
(21) Rubikon (8.11.2019): Speerspitze des Neoliberalismus. Auf https://www.rubikon.news/artikel/speerspitze-des-neoliberalismus (abgerufen am 16.3.2023).
(22) Neue Debatte (13.11.2022): Psychologen als Erfüllungsgehilfen. Auf https://neue-debatte.com/2022/11/13/psychologen-als-erfuellungsgehilfen/ (abgerufen am 16.3.2023).
(23) Giorgio Agamben (2020): “A che punto siamo?” – An welchem Punkt stehen wir? Die Epidemie als Politik (Quodlibet, Macerata 2020); [dt.: Verlag Turia + Kant, Wien 2021, S.10].

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Elisa Calvet B. (Unsplash.com) und Hajotthu (https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52160415 sowie https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52160437; beide CC BY-SA 3.0).
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder (Jahrgang 1941) ist Psychoanalytiker, Psychologe, Hochschullehrer und Vorsitzender der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP). Er studierte unter anderem in Würzburg und Heidelberg Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaften und habilitierte 1982 mit der Arbeit „Psychologie ohne Bewusstsein: Die Geburt der behavioristischen Sozialtechnologie“. Seit Anfang der 1990er Jahre ist er an der Freien Universität Berlin tätig. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehören 'Subjektivität und Postmoderne. Der Diskurs der Psychologie' (Suhrkamp 1993); 'Jugend. Psychologie einer Kultur' (Urban & Schwarzenberg 1984), 'Psychologie ohne Bewusstsein. Die Geburt der behavioristischen Sozialtechnologie' (Suhrkamp 1982) und 'Lüge und Selbsttäuschung' (Vandenhoeck & Ruprecht 2009).
Eine Antwort auf „Wir leben im Zustand der Paralyse der Kritik“
“Wir leben im Zustand der Paralyse der Kritik
Unser wichtigstes Instrument, die “Kritik aller Verhältnisse, in denen der Mensch nicht als Mensch lebt”, ist uns aus der Hand geschlagen. Kritik als Voraussetzung, als Motor aller Wissenschaft und Aufklärung ist tot, der bloße Positivismus der Gewalt, der blanke Behaviorismus der Schönen neuen Welt ist an seine Stelle getreten.”
Beitragsautor
Von Klaus-Jürgen Bruder
Hier eine Gedanken dazu:
Überaus viele Inhalte im Sinne gesellschafts- und naturwirklicher Notwendigkeiten gilt es zu durchdenken, zu diskutieren und zu bearbeiten, um das produktive Potential der Gesellschaft zu erschließen. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass das produktive Potential sowohl zum bewahren als auch zum beenden eingesetzt werden kann.
– In der Psychologie wird dem nach gegangen, dass Wahrnehmung und Erfahrung sowohl die Empfindung als auch den Verstand eines Menschen bestimmen. Wahrnehmungen und Erfahrungen können sowohl Freude machen als auch Leid bringen.
– Mathematisch kann zum Beispiel berechnet und bemessen werden, wie lange ein Herzschrittmacher funktioniert, aber auch dass eine Mittelstreckenrakete pünktlich ihr Ziel erreicht.
– Die Astronomie lässt uns erkennen, dass das Universum sowohl unendlich groß als auch unendlich klein ist. Und das bedeutet, dass die Menschen zwar immer tiefer in das jeweils bisherige Sein vordringen, aber niemals alles erkennen und benutzen können.
– Physikerinnen und Physiker weisen nach, dass sich alles Materielle ununterbrochen durch Stoff- und Energiewechsel bewegt und dabei ständig Information überträgt. Darum müssen wir Menschen beachten, dass das was gestern war und was heute ist, sich morgen verändert.
– Chemisch lassen sich Stoffe analysieren und neu synthetisieren, die sowohl nützlich aber auch gefährlich sein können.
In der Biologie wird nachgewiesen, dass die Menschen aus materiellen Strukturen bestehen und nur mittels deren Funktionalität leben können.
– Soziologie untersucht warum das Zusammenleben der Menschen einerseits füreinander und andererseits gegeneinander verläuft. Und die Soziologinnen und Soziologen versuchen zwischen dem jeweiligen Minimum beziehungsweise Maximum das Optimum aufzuzeigen.
Das alles zeigt auf, dass alles zwei Seiten hat und es zeigt auch auf, dass man sein Leben mit Schaffensfreude und Wahrheitsliebe pflichtbewusst, umsichtlich und auf der Suche nach Gerechtigkeit gestalten sollten.
– Im konstruktiven Miteinander finden wir die Stärke, um das Sinnvolle und das Nützliche erarbeiten zu können. Unser menschliches Mit- und Füreinander fordert wahrhaftig demokratische Verhältnisse, die es allen ermöglicht ihr Leben selbst zu gestalten und ihre eigenen Lebensentwürfe verwirklichen zu können. Nur so werden die schöpferischen Potenzen aller auch allen Nutzen bringen.
– Humane Daseinsbedingungen sind in zunehmendem Maße nur durch das aktive Wirken, durch die organisierte und koordinierte Teilhabe vieler, wenn nicht aller Menschen zu realisieren. Darum müssen sich die demokratischen Verhältnisse auf den Ebenen der Grundwerte, der kulturvollen Lebensweise, der politischen Lenkung und Leitung und der Erwirtschaftung der materiellen Grundlagen weiterentwickeln.
– Staatliche Institutionen müssen dienstleistende Verwaltungsorgane werden. Steuern und Abgaben müssen dort, wo man sie erarbeitet, für das Nützliche investiert, für soziale Gerechtigkeit eingesetzt und für kulturelle Bedürfnisse der Einzahlenden ausgegeben werden.
– Bildung sollte in ihren Zielstellungen darauf gerichtet sein, dass jeder Mensch seine Begabungen und Talente erkennen und den auf deren Grundlage entstehenden Neigungen im Lernprozess nachgehen kann.
– Sowohl in der Natur als auch in unserem kreativen Wirken entdecken wir die Schönheit des Sinnvollem und des Nützlichem. Unbedingt muss in unserem Tun und Handeln beachtet werden, dass die menschliche Gesellschaft ein Teil des Ökosystems Erde ist. Leben kann ein Mensch nur, wenn er die Vielzahl der von ihm lebensnotwendiger Weise zu erbringenden Leistungen unter Verwendung seines Bewusstseins in menschlicher Gemeinschaft erarbeitet, austauscht, verteilt und nutzt.
– In Ökosystemen geschieht Gleichwertiges durch Interaktionen zwischen Erzeugern, Verbrauchern und Rückgewinnern, wobei jedes in die ökologischen Kreisläufe integrierte Lebewesen sowohl den Produzenten, als auch den Konsumenten und den Reduzenden zugeordnet werden kann.
– In diesen Systemen und selbstverständlich auch im gesamten Ökosystem Erde in dem auch wir Menschen leben, werden Stoffe, Energie und Informationen produziert, verteilt, ausgetauscht und verbraucht, wodurch die momentane Existenz und die künftige Entwicklung sowohl der einzelnen als auch aller Beteiligten in ihrer Gesamtheit ermöglicht wird.
– Von Menschen nicht genutzte Ökosysteme passen sich spontan an die sie bestimmenden äußeren Bedingungen im Rahmen der sie bewirkenden und durch sie selbst mitverursachten Auf- und Abbauprozesse an und bewegen sich erhebend, verkomplizierend und ihre Existenz bewahrend, solange es eben die vorhandenen äußeren und inneren Bedingungen zulassen.