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Odins Hammer: Granaten aus dem Friedensfond

Man muss sich die Situation vor Augen führen. Die Überlebensperspektive derer, die momentan zur Frontlinie geschickt werden, beträgt maximal 12 Stunden. Auf beiden Seiten. Wer da von Endsieg faselt, ist entweder ein mit Koks zugedröhnter Edelkomparse oder eine von allen zivilisatorischen Zweifeln gesäuberte Figur, der ein pädagogisches Sonderprogramm besser zu Gesicht stünde als ein politisches Amt.

Anscheinend ist noch nicht genug verdient worden am Krieg. Anders kann die Renitenz, mit der sich das westliche Kriegskonsortium gegen jede Art der Vermittlung stellt, nicht erklärt werden. Dass die Maximalforderung einer Seite nicht das Entrée für Verhandlungen sein kann, weiß jeder kleine Kaufmann. Ob das die Chargen, die momentan die Verantwortung tragen, wissen, sei dahin gestellt. Vieles spricht dafür, dass sie es nicht tun.

Entscheidend ist jedoch, dass sie es nicht wollen. Sie können Kriege provozieren, denn das haben sie nachweislich getan, sie können Kriege befeuern, das tun sie täglich, Kriege gewinnen, das können sie nicht, und Kriege beenden, das können und wollen sie ebenso wenig. Wer also auf ein Ende mit Schrecken setzt, der ist auf jeden Fall bei ihnen gut aufgehoben.

Man muss sich die Situation vor Augen führen. Die Überlebensperspektive derer, die momentan zur Frontlinie geschickt werden, beträgt maximal 12 Stunden. Auf beiden Seiten. Wer da von Endsieg faselt, ist entweder ein mit Koks zugedröhnter Edelkomparse oder eine von allen zivilisatorischen Zweifeln gesäuberte Figur, der ein pädagogisches Sonderprogramm besser zu Gesicht stünde als ein politisches Amt.

Der Aufstand als Odins Hammer

Sie können über “die andere Seite” und ihre Grausamkeiten so viel erzählen, wie sie wollen. So wie sie auftreten, so wie sie argumentieren und so wie sie sich in Szene setzen, lassen sie nichts Besseres erwarten. Diese sinnentleerten, exklusiv auf Destruktion gerichteten Quasselstrippen, denen täglich ein großes Forum in einer längst untergegangenen Welt geboten wird, sie werden es nicht richten.

Kürzlich hörte ich den Satz, dass das politische Trauerspiel, das hier in unserer eigenen Welt geboten würde, nur ein Test sei, um zu sehen, ob es ihn noch gibt: Odins Hammer. Das schien mir doch etwas verwegen. Was der Mensch mit dieser Formulierung meinte, war allerdings der Aufstand.

So wie wir konditioniert sind, könnte gleich der Verdacht aufkommen, es handele sich um jemanden, der einer verdächtigen politischen Gesinnung verpflichtet fühlt. Aber, seien wir ehrlich, sind die in einem nicht mehr verträglichen Kauderwelsch verfassten Reden über die Freiheit von Waffenlieferanten, Kriegstreibern, Kolonialisten und Imperialisten besser? In welchen Strudel sind wir geraten, dass dieser Wahnsinn nicht das Feuer oder, wie erwähnt, den Hammer erntet, den er verdient?

Die Ausbeinung Europas

Am Tag, als der chinesische Präsident nach Moskau fuhr, um über ein mögliches Ende des Krieges zu sprechen, beschloss die EU eine Lieferung von einer Million Granaten an die Ukraine. Finanziert wird diese aus dem europäischen Friedensfond. (1) Allein diese Tatsache verkörpert die ganze Perversion dieser Vereinigung.

Wer das Schicksal der EU exklusiv an die militärische Ausrichtung der NATO unter der Diktion der USA bindet, hat das Projekt bereits aufgegeben. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass dort bereits die Insolvenzverwalter am Werk sind, die dabei sind, die restlichen Happen auszubeinen und wohl dekoriert über den Atlantik zu schicken. Die Meldung über das Projekt VW in South Carolina könnte beredter nicht sein. (2)

Bleibt zu hoffen, dass das Gewicht auf diesem Planeten sich zumindest in der Kriegsfrage bereits so weit verschoben hat, dass eine glaubhafte Perspektive auf einen Waffenstillstand und Frieden entsteht. So wie es aussieht, haben sowohl die Ukraine, die in der Form vor dem Krieg bereits Geschichte ist, als auch die Staaten der EU das Verliererlos gezogen. Weitermachen? Nein!

Quellen und Anmerkungen

(1) Anti-Spiegel (2.3.2023): Orwell würde staunen: “EU-Friedensfond” finanziert Waffenkäufe. Auf https://www.anti-spiegel.ru/2023/orwell-wuerde-staunen-eu-friedensfond-finanziert-waffenkaeufe/ (abgerufen am 23.3.2023).

(2) Süddeutsche Zeitung (21.3.2023): Knapp 1,3 Milliarden Dollar für VW-Werk in South Carolina. Auf https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkswagen-south-carolina-anreize-usa-inflation-reduction-act-1.5772535 (abgerufen am 23.3.2023).

San Francisco 2018. (Foto: Cristofer Maximilian, Unsplash.com)

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Foto: Wesual Click (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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