Dieser Krieg wird Renditen einfahren, wie wir sie noch nicht gesehen haben. Wer sie wird feiern können, steht bereits so gut wie fest. Es sind aber nicht die, die im Moment meinen, sie stünden auf der richtigen Seite. Dass mit Renditen lediglich monetäre Werte gemeint sind, ist etwas für Kurzsichtige.
Ja, wer Aktien besitzt, zum Beispiel bei Rheinmetall, der wird das Ergebnis zählen können. Übrigens sind bei diesem Paket die meisten Eigentümer aus den USA. Die Waffengeschäfte sind allerdings nicht nur bei den Produzenten zu verbuchen, sondern auch bei denjenigen, die die Lieferungen zwar in Empfang nehmen, aber nicht an ihren Bestimmungsort senden, sondern woandershin verkaufen.
Es ist ein ausnehmend lukratives Geschäft. Denn bezahlt ist die Ware. Verkauft wird sie dorthin, wo man noch einmal bezahlt. Und das sind Käufer aller möglichen Herkunft, aber nicht unbedingt eine direkt beteiligte Kriegspartei.
Nach dem Krieg das organisierte Verbrechen
Zumeist sind es Organisationen, die sich bereits rüsten für das Danach. Für den Zustand, wenn alles in Trümmern liegt, wenn keine staatliche Ordnung greift und das Recht des Stärkeren herrscht. Dann bricht die Zeit der Schattenherrschaft an.
Dort liegen die Waffen, und der Rest einer aller Abzeichen entledigten Soldateska wird sich verzweifelt in diesen neuen Sold begeben. Dann ist alles, was mit Recht, mit einem staatlichen Gewaltmonopol und mit einem Empfinden für das Gemeinwesen verbunden ist, nichts als eine romantische Erinnerung. Das wird die große Stunde des organisierten Verbrechens sein. Und es wird bestens gerüstet sein, mit willigen, durch den Krieg verrohten Subjekten, die bis an die Zähne bewaffnet sind.
Und ja, diejenigen, die jetzt von feministischer Außenpolitik krakeelen, die kriegslüsternerer und martialischer nicht sein könnte, sie werden betrachten können, was aus dem Prozess der Zivilisation der letzten siebzig Jahre geworden ist. Alles, was mit der Emanzipation der Frau zu tun hatte, wird in dieser verrohten Nachkriegsgesellschaft Vergangenheit sein. Das Soldatisch-Patriarchalische wird die Herrschaft übernehmen.
Vor uns die Gewalt
Was das heißen wird? Es werden Hierarchien etabliert werden, die nicht nur von Männern dominiert, sondern auch mit brachialer Gewalt durchgesetzt werden. Achtsamkeit und Augenhöhe werden Schimpfwörter sein und alles, was als eine verfeinerte Lebensform von vielen so sehr geschätzt wurde, wird als Zeichen von Dekadenz und Verweichlichung angeklagt werden.
Wer den Krieg mit seinem Morden und seinen existenziellen Dauerkrisen hinter sich gebracht hat, der will sich alles auf einmal zurückholen. Da wird nicht mehr geworben werden, da wird sich geholt, wonach einem ist. Nicht nur bei materiellen Gütern der Ausschweifung, sondern auch bei Frauen. Egal wo. Kinder des Krieges sind Kinder des Krieges.
Das, was sich jetzt noch so gut anhört wie der gerechte Kampf um die liberale Demokratie, die dort auf keiner Seite je geherrscht hat, ist der Kampf von Oligarchen. Hier wie dort. Alles andere ist die pure Illusion.
Es ist nur zu empfehlen, vom Ende her zu denken. Jeden Tag, den dieser Krieg länger dauert, macht die hier gemachte Prognose wahrscheinlicher. Die Propagandisten für eine Fortführung des Krieges sind verkommendes Pack, das sich andere Renditen verspricht. Aber der Krieg, der bleibt, was er ist: “Im allgemeinen kann man sagen, daß uns gemeinen Leuten Sieg und Niederlag teuer zu stehn kommen.” (1)
Die hart gesottene Mutter Courage war da um einiges weiser als der Zeitgeist.
Quellen und Anmerkungen
(1) Bertolt Brecht (1938/39): Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg. Verfügbar auf https://docplayer.org/205296643-Bertolt-brecht-mutter-courage-und-ihre-kinder.html (abgerufen am 23.3.2023).
Foto: Luisa Brimble (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
3 Antworten auf „Rendite: Der Krieg bleibt, was er ist!“
Ist schon wieder Krieg?
Liegt es am Krieg?
Oder am gelangweilten Menschen?
Der, der dem geplünderten Wohlstand überdrüssig geworden ist.
Der den Konsum und den Profit als neuen Gott erhoben hat.
Und nun gelangweilt vom eigenen Treiben, will er die Welt erretten.
Retten von Diktatur und Raubbau an der Natur.
Doch sieht er nicht, dass er die Welt nur vor sich selbst retten kann.
Längst ist die Courage der Angst gewichen, als die Menschlichkeit sich selbst verkaufte.
Das unbändige Tier wieder den Platz einnahm, welches durch einen überschätzten Verstand befeuert wird.
Vor sich selbst fliehend, im Wahnsinn ausgelöscht und letztendlich in Frieden für Mutter Erde.
Ja Kriege sind eben Kriege:
Fragen wir die Geschichte, um zu zielorientierten Entscheidungen zu kommen ( noch ein Beispiele):
„Titos Vielvölkergefängnis“, benannte man die Bundesrepublik Jugoslawien vor, in und nach dem Kosovokrieg. Man wollte damit ein Verbrechen wider internationales Recht, den Raketen- und Bombenterror der NATO gegen die dortige Bevölkerung nämlich, als heroische und gar „friedenssichernde“ Tat hochschwindeln. Von „Titos Vielvölkergefängnis“ sprachen erstmals 1991 deutsche Journalisten und bald auch Politiker. Dabei wurden weder besondere Einschränkungen der Reisefreiheit noch rassistische Verfolgungspolitik aus dem vormals semikommunistischen Land gemeldet.
Allerdings ging es den Bürgern Jugoslawiens nicht eben blendend. Die wirtschaftliche Situation des Landes hatte sich seit dem Ende des „Realsozialismus“ dramatisch verschlechtert. Die Sonderrolle Jugoslawiens als Pufferstaat und Umschlagplatz zwischen Plan- und Marktwirtschaft gab es nicht mehr.
So erscholl denn auch zuerst aus jenen Regionen, die sich zugunsten ärmerer Teilrepubliken „ausgeplündert“ fühlten, der Schrei nach Autarkie. Er wurde leider erhört.
Das war der Anlass für den Ausbruch der Sezessionskriege, die Jugoslawien in viele kleine Stücke schlugen, Zehntausenden Menschen das Leben, Hunderttausenden Gesundheit, Bleibe und Habe kosteten, von der ökonomischen Misere, die sich seither nur verschlimmerte, nicht zu reden. Vielleicht ist fraglich, ob die Gemetzel in der Krajina, in Bosnien-Herzegowina und schließlich im Kosovo hätten verhindert werden können, hätte man solche Figuren wie den bekennenden Faschisten Franjo Tudjman oder dem eifernden Islamisten Alija Izetbegovic die helfende Hand verwehrt. Doch würden ohne die Solidarität aus Westeuropa die Warlords erheblich weniger Resonanz bei dem jeweiligen Völkchen, das sie zum Bürgerkrieg mobilisierten, gefunden haben.
Wahrhaftiges Selbstbewusstsein muss sich der Mensch beharrlich, geduldig, angstverzerrt und schmerzgeschunden, aber auch lebenslustig und in Schöpfungswonnen erarbeiten. Erst der aus der Natur kommende, aus Wahrheit schöpfende, die Wirklichkeit vervollkommnende, selbstbewusste Mensch entfaltet und gestaltet kulturellen Reichtum in wirtschaftlicher, politischer und zum Guten hinwirkender Vielfältigkeit.
Johannes R. Becher wollte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den tief Erschütterten ein wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft vermitteln.
Er schreibt in seinem Buch „Der Aufstand im Menschen“: „Haltet weniger Vorträge, sprecht nicht zu euren Zuhörern von oben her, setzt euch zu ihnen und mitten unter sie und erzählt. Erzählt ihnen, was ihr auf dem Herzen habt, vielleicht werden sie dann auch euch ihr Anliegen kundtun. Erzählt ihnen eure Gedanken, lasst euch von ihnen erzählen, was sie denken. Lehrt sie nicht Politik, Wissenschaft, Literatur – erzählt ihnen davon. Lehrt nicht Geschichte – erzählt. Das Gute soll nicht so sehr gelehrt als erzählt werden.“
Und auch mit dem Lesebuch „Der Aufstand im Menschen“ wollte der Dichter „die Verzagten und Entmutigten, die Gleichgültigen und Verschreckten“ aufrichten.
Dazu war es natürlich auch notwendig, den Sinn des Mensch-Seins aufzuzeigen: Der Mensch habe die Möglichkeit, indem er selber Gestalt werde, die „Nichts-Unendlichkeit“ mit Gestalt zu erfüllen. Die Menschen würden „Nichts“ sagen – aber sie ahnten es und wüssten es schon teilweise, dass dieses Nichts keine Leere sei, sondern erfüllt von noch „Unbegreifbarem“ und „Unsäglichem“. Begreifbarmachen des „Unbegreifbaren“ und in der „Aussagbarkeit“ des bisher „Unsagbaren“ nehme die „Nichts-Unendlichkeit“ schon Umrisse einer Gestalt an, und seine Gestalt vervollkommnete sich in dem Maße, als sie uns ihren Sinn und ihr Gesetz offenbare und wir auch die „Nichts-Unendlichkeit“ aus ihrem „Ungestalten“ heraus in unsere „Gestalthaftigkeit“ einbeziehen könnten. Denn auch das „Nichts“ habe kein Bewusstsein außer das unsere. Und indem das „Nichts“ in unserem Bewusstsein zum Bewusstsein seiner selbst gelange, hebe es sich als „Nichts“ auf und nehme Gestalt an. (Johannis R. Becher – „Der Aufstand im Menschen“ – Aufbauverlag Berlin und Weimar )
Der Mensch konnte sich nur im sozialen Mit-, liebevollem Für- und ertragreichen Gegeneinander aus dem Tierreich erheben. Das dimensionslose, potente „An-sich-Sein“ ermöglicht das wirkliche „Außer-sich-Sein“ im Menschen, und um mittels des absoluten Willensaktes zu bewusstem „Für-sich-Sein“ gelangen zu können, muss sich der Mensch vom natürlichen zum sozialen und psychischen Wesen entwickeln, meinen Hegel und Schelling.