Es fängt immer im Kleinen an. Das, was uns erstaunt und aufregt, das, was uns manchmal sogar den Boden unter den Füßen entzieht, kommt nicht aus heiterem Himmel.
Es beginnt irgendwann und irgendwo mit einer Kleinigkeit. Ach ja, das habe ich nicht so gemeint, ach nein, das war nicht mein Motiv. So und anders hören sich zunächst Erklärungen an, wenn Menschen darauf hinweisen, dass sie etwas irritiert.
Wenn sie sich mit solchen Erklärungen zufrieden geben und die als lässliche Sünde verkaufte Art und Weise sich wiederholt, dann findet ein Phänomen seine Bahn, das in einem richtigen Debakel enden kann. Das kann dann in einen Anspruch oder in eine Behauptung münden, die so ad hoc auf große Ablehnung gestoßen wären, aber als schleichender Prozess sich dann doch etablieren.
Erst ganz zart
Der Journalismus und seine heutige Befindlichkeit in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten sind ein Beispiel. Es begann, allerdings ist das bereits zwanzig Jahre her, ganz zart. Da flossen die ersten Bewertungen in Nachrichten ein, die so für sich genommen nicht als Skandal empfunden wurden.
Da war die Rede eines Politikers plötzlich ausgewogen, ein Antrag im Parlament wurde als erratisch beschrieben oder das Anliegen eines Staates als unberechtigt ausgewiesen.
Aus heutiger Sicht, in denen es wimmelt von Formulierungen wie verwirrt, abstrus, umstritten, verschwörungstheoretisch oder was sonst noch alles, klingt das als Petitesse. Aber so fing es an. Und weil es gedeckt wurde von denen, die die Direktionsrechte besaßen, kann man davon ausgehen, dass es so gewollt war.
Oder ein anderes Beispiel: die EU und die NATO. Es begann versteckt, denn hätte man vor zehn Jahren betont, dass die EU der ökonomische Arm der NATO werden würde, dann hätte es in den Mitgliedsländern einen Proteststurm gegeben.
Wehret den Anfängen
Dass das seit Langem ausgemachte Junktim von EU- und NATO Mitgliedschaft eine der wesentlichen Ursachen für die heutige Causa Ukraine war, kann heute kaum noch jemand rekonstruieren. Aber es war so. Der Regime-Change wurde inszeniert, weil der damalige Präsident des Landes das Junktim von NATO und EU nicht akzeptieren wollte. Und Russland hätte gegen eine exklusive EU-Mitgliedschaft der Ukraine nicht die Geschütze aufgefahren, aus denen heute gefeuert wird.
In der Tradition der deutschen Widerstandsbewegung kursierte viele Jahre der Slogan “Wehret den Anfängen”. Er klang schon immer etwas antiquiert und altmodisch, nur seine Bedeutung hat er nicht verloren.
Er ist aktueller denn je. Schade, dass ihn viele vergessen haben, die sich traditionell gegen Imperialismus und Krieg gestellt haben. Die Rendite wird jetzt eingefahren, wo vom Stalinismus enttäuschte autoritäre Charaktere aus dem Fond von Regierungsinstitutionen für ihre kriegshetzerischen Einlassungen fürstlich honoriert werden.
Faschismus ohne Springerstiefel
Bei denen, die den gegenwärtigen Verlauf der Geschichte noch etwas einordnen können, sorgt diese Entwicklung, gelinde gesagt, für Entsetzen.
Zurückzuführen ist diese Situation, in der deutsche Panzer, auf die die ukrainischen Verbündeten sorgsam SS-Runen malen, um den russischen Feind zu provozieren, auf die Nonchalance der Vergangenheit.
Auf die Glatzen, die mit Springerstiefeln daherkamen, hat man geachtet. Die in die jeweiligen Modetrends der Zeit eingebetteten Faschisten, die heute ihr Unwesen treiben, hat niemand bemerkt. Ja, die Erscheinung war neu, aber jetzt ist sie auch demaskiert. Der neue Faschismus kommt anders daher. Es fängt immer im Kleinen an.

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Annie Spratt (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
3 Antworten auf „Der neue Faschismus: Es fängt immer im Kleinen an“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Resolution der Kommunarden
– Bertolt Brecht
In Erwägung unsrer Schwäche machtet
Ihr Gesetze, die uns knechten soll’n
Die Gesetze seien künftig nicht beachtet
In Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein woll’n
In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod
In Erwägung, daß wir hungrig bleiben
Wenn wir dulden, daß ihr uns bestehlt
Wollen wir mal feststelln, daß nur Fensterscheiben
Uns vom guten Brote trennen, das uns fehlt
In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod
In Erwägung, daß da Häuser stehen
Während ihr uns ohne Bleibe laßt
Haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen
Weil es uns in unsern Löchern nicht mehr paßt
In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod
In Erwägung, daß wir der Regierung
Was sie immer auch verspricht, nicht traun
Haben wir beschlossen, unter eigner Führung
Uns nunmehr ein gutes Leben aufzubaun
In Erwägung: ihr hört auf Kanonen
Andre Sprache könnt ihr nicht verstehn
Müssen wir dann eben, ja, das wird sich lohnen
Die Kanonen auf euch drehn
Wer sehen wollte, konnte den neuen faschistischen Modetrend durchaus erkennen. Aber kam der Faschismus nicht immer schon in einem passenden Outfit daher, dem Zeitgeist angepasst? War damals nicht die Fortsetzung das Wirtschaftswunder, das die alten braunen Narben des 2. WK übertünchen sollten?
Faschismus, Kapitalismus… – Flower Power hieß die neue Spaßgesellschaft, vorweg die 68er Bewegung, die den Muff von 1000 Jahren moralisch, intellektuell gut getarnt ins neue Jahrtausend hinüber rettete. Nach außen freizügig und weltoffen, aber über die Jahre lässt sich der anerzogene spießbürgerliche, deutsche Geist nicht verleugnen, wenn der erleuchtete Globetrotter sich im Eigenheim eingerichtet hat und seine eigene wohlstandsverseuchte, ideologisch überfrachtete Brut in Echtzeit eine neue Weltordnung heraufbeschwört. Klimaschutz ja, aber nur wenn man nicht gerade privat Urlaub auf Bali macht.
Egal, hissen wir einfach die Regenbogenflaggen auf allen westlichen Parlamenten, als Zeichen der Unterwerfung, – äh der Solidarität mit Menschen die sich nun wertefrei definieren dürfen. Bunte Zombies, betreutes Denken, Koks aus der Ukraine, Opium aus Afghanistan, demnächst Gras in Berlin, ein grüner, klimaneutraler, humaner Krieg und Herbert impft, – äh singt, Kinder an die Macht. Was will man mehr? Bargeldloses Bürgergeld! Na bitte, geht doch…