Kategorien
Reportage

Reportage: Raub von Humankapital

In ihrer aktuellen Reportage “Raub der grauen Zellen – Fachkräfte aus dem globalen Süden” wirft die Journalistin Gaby Weber am Beispiel von Argentinien einen kritischen Blick auf die internationalen Arbeitsverhältnisse.

In ihrer aktuellen Reportage “Raub der grauen Zellen – Fachkräfte aus dem globalen Süden” wirft die Journalistin Gaby Weber am Beispiel von Argentinien einen kritischen Blick auf die internationalen Arbeitsverhältnisse.

In der globalen kapitalistischen Welt, in der kontinentale Grenzen kein Hindernis darstellen, tobt der Konkurrenzkampf um Erwerbsarbeit. Unternehmer und Kapitaleigner reiben sich die Hände, weil der technische Fortschritt es ermöglicht, ganze Abteilungen ans andere Ende der Welt auszulagern.

Die Kosten sinken und die Profite steigen. Es ist ein sehr gutes Geschäft. Die Arbeit wird oft genug für eine Handvoll Dollar erledigt, Sozialabgaben können eingespart werden und niemand muss sich großartig mit arbeitsrechtlichen Bestimmungen, gewerkschaftlichen Forderungen, Krankenständen, Urlaub oder sonstigen Störgrößen beschäftigen.

Braindrain: der große Raub

Was beispielsweise in der IT-Branche, in digitalen Geschäftsfeldern wie Grafik und Webdesign oder dem Finanzsektor schon gängige Praxis ist, funktioniert noch nicht in der Pflege. Altenheime und Krankenhäuser benötigen Personal vor Ort. Aber auch dafür hat der globale Kapitalismus eine Lösung parat: der Raub von Humankapital. Die Politik ebnet den Weg. Das Zauberwort heißt Fachkräftemangel.

Auch wenn die Arbeitsagentur in ihrem Bericht vom August 2022 feststellt, dass von einem “allgemeinen Arbeits- und Fachkräftemangel nicht gesprochen werden kann” (1), jammern Manager und Wirtschaftsvertreter und die Ampelkoalition schlägt wie auf Befehl Alarm. Millionen Fachkräfte fehlen angeblich. Vor allem in der Pflege. Jetzt hat sie eine große Kampagne gestartet. Kommt zu uns, ruft der grüne Wirtschaftsminister. Eilig werden Gesetze aus dem Hut gezaubert: Schluss mit Rassismus und unfreundlichen Ausländergesetzen, Einbürgerung soll einfacher werden.

Raub der grauen Zellen – Fachkräfte aus dem globalen Süden (Quelle: Gaby Weber / YouTube)

Wo sollen diese begehrten Fachkräfte herkommen? Die USA, Kanada und Australien suchen schon länger nach “klugen Köpfen”. Was fällt den Deutschen ein? Auf der südlichen Halbkugel nach Ärzten und Krankenschwestern Ausschau zu halten. Zum Beispiel am Rio de la Plata, wo der Bundeskanzler gerade war.

Und was hält der globale Süden von den Plänen der Bundesregierung? Gaby Weber hat sich an Universitäten, in Krankenhäusern, bei Gewerkschaften und der Regierung Argentiniens umgehört. Ihr Fazit: Alle sind entsetzt, sprechen von Ausbeutung und dem Abfluss der Gehirne; Braindrain in der Fachsprache. In Buenos Aires ist von Imperialismus wie zu Kolonialzeiten die Rede.

Die öffentlichen Universitäten kennen keine Studiengebühren, auch nicht für Ausländer. Sie werden aus Steuermitteln finanziert. Und wenn diese nach ihrem Abschluss in den Norden emigrieren, droht dem Land eine ernste Krise. Monatelang müssen Patienten auf einen Termin warten, weil schon heute in argentinischen Krankenhäusern Ärzte und Pfleger fehlen. Und die werden dort gebraucht, wo sie jetzt sind.

Informationen zum Film

Raub der grauen Zellen

Fachkräfte aus dem globalen Süden

Argentinien: 2023

Sprache: Deutsch

Länge: 41 Minuten

Realisierung: Gaby Weber

Musik: Hanno di Rosa

Der Film erhielt keine Finanzmittel von Dritter Seite. Wenn Sie unabhängigen Journalismus schätzen und fördern wollen, unterstützen Sie bitte Gaby Weber über Paypal.com (gaby.weber@gmx.net) oder Comdirect Bank (IBAN DE53 2004 11550192 074300 | BIC COBADEHD055).

Quellen und Anmerkungen

(1) Arbeitsagentur (August 2022): Arbeits- und Fachkräftemangel trotz Arbeitslosigkeit. Verfügbar als PDF auf https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Fachkraeftebedarf/Generische-Publikationen/Arbeits-und-Fachkraeftemangel-trotz-Arbeitslosigkeit.pdf (abgerufen am 10.4.2023).

San Francisco 2018. (Foto: Cristofer Maximilian, Unsplash.com)

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!

Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.

Foto und Video: Francisco Ghisletti (Unsplash.com) und Gaby Weber

Neue Debatte ist das Magazin für Menschen, Kultur und Gesellschaft. Es steht für 100% Journalismus und Wissenschaft von unten - unabhängig und nicht werbefinanziert. Journalisten, Blogger, Arbeiter, Akademiker, Soziologen, Handwerker, Philosophen, Micro-Blogger, Erwerbslose, Wortkünstler, Experten und kritische Menschen aus allen Milieus und Ländern skizzieren das Zeitgeschehen aus ihrem Blickwinkel: offen, ehrlich und ohne doppelten Boden. Unterstütze uns!

Von Neue Debatte | Journalismus und Wissenschaft von unten

Neue Debatte ist das Magazin für Menschen, Kultur und Gesellschaft. Es steht für 100% Journalismus und Wissenschaft von unten - unabhängig und nicht werbefinanziert. Journalisten, Blogger, Arbeiter, Akademiker, Soziologen, Handwerker, Philosophen, Micro-Blogger, Erwerbslose, Wortkünstler, Experten und kritische Menschen aus allen Milieus und Ländern skizzieren das Zeitgeschehen aus ihrem Blickwinkel: offen, ehrlich und ohne doppelten Boden. Unterstütze uns!

Eine Antwort auf „Reportage: Raub von Humankapital“

Weltweit gibt es immer weniger Eigentümer von Produktionsmitteln.

Fast alles Eigentum befindet sich in machtpolitisch gestütztem, juristisch garantiertem Besitz mehr oder weniger anonymer Finanzgesellschaften. Auch die Volkswirtschaften sind davon betroffen. Produktion, Dienstleistung, staatlich gestützte Konsumtion und Investition und immer mehr auch die Aufwendungen zur notwendigen privaten Bedürfnisbefriedigung werden durch Kreditinstitute vorfinanziert und machen so alles Zwischenmenschliche abhängig von Ware-Geld-Beziehungen, alles wird feilgeboten und alles ist käuflich. Die Arbeitsleistung wird von immer mehr Menschen nur als notwendige Last und nicht auch als Freude am Schaffen empfunden, da der größte Teil des im Arbeitsprozess Geschaffenem nicht zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen, sondern zum füttern des immer gefräßiger werdenden Geldmolochs vergeudet wird.

Spezifisch für das kapitalistische Wirtschaften ist es also, dass alle gesamtgesellschaftlich erbrachten Arbeitsleistungen in privatem Interesse verwendet werden können. Dadurch werden Waren, besonders die Ware Arbeitskraft, nicht richtig bewertet, die Wirtschaftskreisläufe werden gestört oder gar unterbrochen und es kommt zu Wirtschaftskrisen, sozialen Ungerechtigkeiten und ökologischen Katastrophen.

Dadurch wird immer mehr in Anlagen, Maschinen, Technik und so weiter investiert, hauptsächlich, um den Lohn für Arbeitskräfte einzusparen. Geldwerter Gewinn kann aber nur erzielt werden, wenn Produkte und Dienstleistungen gekauft werden. Wenn jedoch prozentual immer weniger Menschen immer reicher und immer mehr Menschen immer ärmer werden, kann zwar immer mehr produziert aber nur immer weniger konsumiert werden. Oder anders gesagt, es wird Gebrauchswert produziert, der nicht gekauft wird, weil durch Lohndumping beziehungsweise steigende Arbeitslosigkeit die Kaufkraft tendenziell sinkt.

Das alles beweist, dass nicht der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Ansprüchen die Triebkraft und die Zielstellung des kapitalistischen Wirtschaftsgeschehens ist, sondern einzig und allein die Gier nach geldwertem Vorteil. Darum kann es in der kapitalistischen Marktwirtschaft nicht um Ethik gehen.

Wie ist Deine Meinung zum Thema?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.