Jetzt hatten wir erst einmal drei Jahre Angst vor Corona. Wir opferten dieser Angst den demokratischen Diskurs und installierten stattdessen eine Kultur des Misstrauens. Dass ein Großteil unserer Grundrechte dabei auf der Strecke blieb, wurde weitgehend akzeptiert.
Inzwischen ist es der Ukraine-Konflikt, der unsere Ängste schürt. Und wieder lässt sich die Mehrheit unseres Volkes von Politik und Medien am Nasenring durch die Arena führen. Anstatt der Ungeimpften sind es nun die Besonnenen unter uns, die verunglimpft und diffamiert werden, und zwar von allen Seiten, die Kirche ist wie üblich dabei.
Wer die andauernden, sich hochschaukelnden Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert – Großbritannien ist neuerdings mit Uranmunition in den Krieg gegen Russland eingestiegen – und für Verhandlungen plädiert, ist dem Fraß der öffentlichen Meinung fast wehrlos ausgesetzt. Peaceniks nannte man solche Leute in den USA verächtlich zu Zeiten des Vietnamkrieges. (1)
Nun gut, darauf wollte ich gar nicht hinaus. Ich wollte eigentlich dazu anregen, den Blickwinkel ein wenig zu verändern. Denn hinter der Krisen-Matrix unserer Tage lauert eine Gefahr, die uns wirklich Angst machen sollte. Sie ist mehr als jede Pandemie und jeder Atomkrieg geeignet, uns dem globalen Armageddon näher zu bringen, sozusagen einen Schlussstrich zu ziehen unter die atemlose Aufrechnung sich fort- und fortzeugenden Leids, wie es Ulrich Horstmann in seinem Buch “Das Untier – Konturen einer Philosophie der Menschenflucht” beschreibt. (2)
Ein Tsunami der Zerstörung, den das Dauerbeben eines ungezügelten Kapitalismus ausgelöst hat, schickt sich an, alles aus dem Gleichgewicht zu reißen, was die menschliche Gemeinschaft seit jeher zusammen hält: das filigrane ökologische Netzwerk ebenso wie die sozialen Strukturen unserer globalen Zivilgesellschaft.
Frank Schirrmacher, der verstorbene Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den ich für mein Buch “Die vierte Macht” interviewt hatte, sagte in unserem Gespräch:
“Nehmen wir mal an, der Ökozid wäre heute schon eingetreten. Dann würde es die Tagesschau morgen als Normalität behandeln. Es gibt diesen einen Moment gar nicht, wo man sich fragt: Haltstopp, was ist hier geschehen? Die Medien schaffen es, aus den größten Brüchen immer wieder eine Scheinnormalität zu konstruieren.”
Was Frank Schirrmacher nicht erwähnte, ist die Tatsache, dass die Glaubwürdigkeit der von den Eliten kontrollierten Mainstreammedien extrem gelitten hat. Die Zahl der Menschen, die den notorischen Wahnsinn eines kapitalen Giersystems und ihrer Propagandisten durchschauen, wächst. Und mit ihr wächst die Bereitschaft zum Widerstand.
Es war der US-amerikanische Schriftsteller Edward Abbey (“Ohne Zivilcourage sind alle andere Tugenden nutzlos“), der in seinem bereits 1975 erschienenen Roman “The Monkey Wrench Gang” den Begriff der Ecotage (von Sabotage) prägte. Es war dieser Roman, der den Aktivisten Dave Foreman 1979 dazu inspirierte, die Umweltschutzorganisation Earth First! zu gründen, welche die sehr moderat auftretenden anderen Organisationen, beispielsweise die Wilderness Society oder selbst Greenpeace, ziemlich alt aussehen ließ. (3) Das Motto von Earth First!: “No Compromise in Defense of Mother Earth!” (Kein Kompromiss bei der Verteidigung von Mutter Erde). Der verstellbare Schraubenschlüssel (engl. monkey wrench) wurde zum Symbol für Sabotage und zu einem Teil des Logos von Earth First!

Eine Galionsfigur der radikalen Umweltschutzbewegung ist Paul Watson (Jahrgang 1950), ehemaliges Gründungsmitglied von Greenpeace. Greenpeace war ihm zu lau, zu kompromissbereit. Seit Jahren schippert Watson nun mit seiner “Sea Shepherd” über die Meere und rammt Walfangschiffe. Sein Credo:
“Ich vertrete die Menschen, die noch nicht geboren sind und die mit Verachtung auf unsere Generation zurückblicken werden.”
Und Derrick Jensen. Merkt euch diesen Namen. Jensen (Jahrgang 1960) ist ein unermüdlicher Prediger des gewaltsamen Widerstands. In seinem Bestseller “Endgame” schreibt er:
“In Anbetracht des auf dem Spiel stehenden Einsatzes – das Leben auf der Erde – ist es an der Zeit, dass auch wir unserem Siegeswillen den Zusatz ‘um jeden Preis’ anhängen. Das ganze kapitalistische System basiert auf Lügen. Solange uns jemand mit Lügen beruhigt, erlauben wir ihm weiterhin, mehr und mehr Land, Luft und Wasser, unser genetisches Material und alles andere auf diesem Planeten zu kontrollieren.”
Der Schriftsteller Michael Ende (4), Autor von “Die unendliche Geschichte”, schrieb schon sehr früh:
“Immer wieder tauchte nach 1945 die Frage auf, ob es denkbar sei, dass es je zu einem dritten Weltkrieg kommen könne. Ich glaube, wir befinden uns schon mittendrin. Nur bemerkt es offenbar niemand, weil dieser Krieg nicht territorial, sondern zeitlich geführt wird. Wir haben einen erbarmungslosen Krieg gegen unsere eigenen Kinder und Enkel entfesselt. Wir werden ihnen eine verwüstete Welt hinterlassen, auf der das Leben für sie sehr schwer sein wird. Aber da sie ja nicht zurückschlagen können, fahren wir damit fort, wir können schon gar nicht mehr anders. Unser Gewissen (sofern es nicht ganz zum Schweigen zu bringen ist) beruhigen wir mit der Annahme, dass ihnen schon etwas einfallen wird, um unsere Gemeinheiten wiedergutzumachen.”
Seit Dezember 1994 liegt der deutschen Bundesregierung eine interne Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung vor. In ihr heißt es:
“Die Kooperation mit den Nachrichtendiensten im europäischen oder transatlantischen Rahmen muss ausgebaut werden. Außerdem müssen die rechtlichen Kompetenzen der Nachrichtendienste und Ermittlungsbehörden neu überdacht werden.”
Oh ja, und wie sie die rechtlichen Kompetenzen überdacht haben! Um die wirtschaftlichen Interessen zu schützen, sind die Regierungen der Industriestaaten in einem nicht für möglich gehaltenen Tempo dazu übergegangen, die demokratischen Grundrechte zu beschneiden. In den nächsten Jahren werden unsere Demokratien schrittweise zu inhaltsleeren Gebilden verkommen, hinter denen sich autoritäre Strukturen verbergen, wie sie so bisher nur in Diktaturen möglich schienen.
Eine der Hauptgefahren, welche die Regierungen der Industriestaaten ausgemacht haben, sind die zu erwartenden, dem Klimawandel geschuldeten Bevölkerungswanderungen. Auch im Inneren eines Landes. Wasserknappheit, Dürre, Naturkatastrophen – das alles könnte zu chaotischen, ja anomischen Zuständen führen, denen nur mit militärischen Mitteln begegnet werden kann, wenn ein Rest an Ordnung und sozialer Sicherheit aufrechterhalten werden soll. Ein US-amerikanischer Thinktank hatte schon Anfang der Neunzigerjahre empfohlen, Klima- und Umweltschützer in Zukunft als Terroristen, als sogenannte ungesetzliche Kämpfer zu behandeln. Das sollte auch für Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International gelten.
Wie gesagt, das war nur ein Vorschlag, noch kein Gesetz. Zum Gesetz ist es jetzt erst, dreiunddreißig Jahre später, geworden. Denn vor Kurzem hat das EU-Parlament eine “Anti-Terror-Richtlinie” beschlossen. Das im Eilverfahren verabschiedete Gesetzespaket soll terroristische Akte im Keim ersticken. Die Richtlinie kann problemlos auf Bereiche ausgedehnt werden, die gemeinhin nicht als Terrorismus gelten – etwa öffentlichkeitswirksame Proteste von Polit- und Ökoaktivisten oder Reisen, die als “zu terroristischen Zwecken” fehlinterpretiert werden könnten. Zudem räumt die Richtlinie den EU-Mitgliedstaaten unter anderem die Möglichkeit ein, Netzsperren zu errichten.
Wie kann der Einzelne, wie kann ich mich diesem Wahnsinn entziehen? Mir fällt ein Satz von Peter Handke (5) ein:
“Irgendwann habe ich beschlossen, dass alles fremd ist und alles neu ist und alles unentdeckt. Und das hilft mir auf die Sprünge.”
Genau. Machen wir uns immer wieder klar, dass wir hier nur zu Gast sind, dass es Millionen von Parallelwelten auf diesem Globus gibt, sowohl in der Tier- als auch in der Pflanzenwelt. Und dass jede dieser Welten in einem eigenen Gefühlskosmos lebt und mit einem ureigenen Kommunikationssystem ausgestattet ist. Entwickeln wir Respekt für unsere Mitbewohner auf der Erde. Öffnen wir unsere Herzen für das Mysterium der Schöpfung, von denen die Betreiber des seelenlosen Killersystems nicht die geringste Ahnung haben.
Zum Schluss noch ein Zitat von der wunderbaren US-amerikanischen Umweltwissenschaftlerin und Autorin Donella Meadows (6), die die Bewegung für eine nachhaltige Zukunft wie kaum eine andere geprägt hat:
“Ich habe eine Vision. Es ist die Vision einer Welt, in der die Menschen langsamer leben und arbeiten und mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens haben: für Kinder, Familie, Natur, für Stille und Spiritualität. Jeder hat genug, es gibt keine Armut und auch keinen absurden Überfluss. Ich sehe eine Welt mit Zeit und Raum für Einfachheit, mit schöner Technologie und elegantem Design. Es wird viel weniger Reisen geben, weil jeder schon dort ist, wo er sein will. Ich sehe eine Welt vor mir, in der wir keine hässlichen Orte mehr erschaffen und wissen, wie man in guter Nachbarschaft gemeinschaftlich lebt. Es wird eine produktive Welt sein mit guter Arbeit, die die Menschen seelisch erfüllt, weil sie Qualitätsprodukte herstellen, die wirklich gebraucht werden statt Kram, den eigentlich niemand braucht. Ich sehe große Mengen an Wissen. Und ich habe die Vision von einer echten Demokratie: Menschen, die sich um die Art und Weise kümmern, wie sie regiert werden und gut informiert sind.”
Quellen und Anmerkungen
(1) Unter einem Peacenik wird eine Person verstanden, die sich öffentlich gegen bewaffnete Konflikte im Allgemeinen oder gegen einen bestimmten Konflikt ausspricht oder die sich öffentlich gegen die Verbreitung von Waffen engagiert.
(2) Ulrich Horstmann (Jahrgang 1949) ist Literaturwissenschaftler und Schriftsteller. Er wurde im Jahr 1983 bekannt durch seine Abhandlung “Das Untier“, in der er eine dem friedensbewegten Zeitgeist jener Jahre diametral entgegengesetzte philosophische Position vertrat. Horstmann propagierte eine Perspektive der Menschenflucht, aus der die Selbstauslöschung der Menschheit mit Hilfe des angehäuften Atomwaffenarsenals als Zielpunkt der (Kultur-)Geschichte erschien.
(3) William David Foreman (1946 bis 2022) war ein Verfechter des Schutzes von Wildnis und Wildtieren. Er war Mitbegründer des Wildlands Project, des Rewilding Institute und von Earth First!, einer radikalen Umweltschutzorganisation, die 1980 ins Leben gerufen wurde. Zur Durchsetzung ihrer Ziele bediente sich Earth First! der direkten Aktion und der Öko-Sabotage.
(4) Michael Ende (1929 bis 1995) war Schriftsteller und einer der erfolgreichsten deutschen Jugendbuchautoren. Zu seinen größten Erfolgen zählen “Die unendliche Geschichte”, “Momo” und “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer”.
(5) Peter Handke (Jahrgang 1942) ist Schriftsteller und Übersetzer. Der Österreicher wurde vielfach ausgezeichnet und gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren. Nach seiner Kritik an Sprach- und Bewusstseinsschablonen befasste er sich vor allem mit der Entfremdung zwischen Subjekt und Umwelt.
(6) Donella Meadows (1941 bis 2001) war Umweltwissenschaftlerin und Autorin. Sie wurde bekannt durch die 1972 veröffentlichte Studie “Die Grenzen des Wachstums”, die sie mit ihrem Ehemann Dennis Meadows und anderen Forschern verfasste. Die Studie wurde vom “Club of Rome”, einer von Industriellen gegründeten Organisation in Auftrag gegeben und von der Volkswagenstiftung mit einer Million D-Mark finanziert.
Redaktioneller Hinweis: Das Essay “Wie können wir uns dem Wahnsinn entziehen?” von Dirk C. Fleck wurde für Apolut.net verfasst und erscheint auf Neue Debatte in einer aktualisierten Form. Einzelne Absätze wurden zur besseren Lesbarkeit im Netz hervorgehoben und Links und Anmerkungen ergänzt.

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Pineapple Supply Co. (Unsplash.com)
Dirk C. Fleck (Jahrgang 1943) ist freier Journalist und Autor aus Hamburg. Er machte eine Lehre als Buchhändler, besuchte danach in München die Deutsche Journalistenschule und absolvierte Mitte der 1960er ein Volontariat beim „Spandauer Volksblatt Berlin“. 1976 siedelte er wieder nach Norddeutschland über und arbeitete bei der „Hamburger Morgenpost“, wo er Lokalchef wurde. Später war er Chefredakteur des „Hanse-Journal“, Reporter bei „Tempo“ und Redakteur bei „Merian“. Er arbeitete im Auslandsressort der Wochenzeitung „Die Woche“ und schrieb ab Mitte der 90er Jahre als freier Autor und Kolumnist für Tageszeitungen (u.a. Die Welt) und Magazine wie zum Beispiel Stern, GEO und Spiegel. Seit den 1980ern setzt er sich journalistisch mit den ökologischen Folgen der zügellosen kapitalistischen Wirtschaftsweise auseinander und verarbeitet seine Erfahrungen, Überlegungen und Recherchen in Romanen. Das Buch „Palmers Krieg“ erschien 1992 und beschäftigt sich mit der Geschichte eines Ökoterroristen. „GO! Die Ökodiktatur“ (1993) ist eine Auseinandersetzung mit den Folgen des Ökozid. Außerdem erschienen von Dirk C. Fleck die Bücher „Das Tahiti-Projekt“ (2008), „MAEVA!“ (2011), „Die vierte Macht – Spitzenjournalisten zu ihrer Verantwortung in Krisenzeiten“ (2012) und „Feuer am Fuss“ (2015).
Eine Antwort auf „Wie können wir uns dem Wahnsinn entziehen?“
Weisheit:
“Es rettet uns kein höheres Wesen kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun. Uns von dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.” Die Freiheit zum Handeln gibt uns keiner, aber mit Willen und Engagement können wir sie uns nehmen.
Durch unser Bewusstsein können wir unser menschliches Dasein den Kreisläufen des Ökosystems unseres Heimatplaneten zuordnen und daraus schlussfolgernd sinnvoll handeln.
Jeder Mensch kann entscheiden ob er bewahrend oder beendend wirken und so sein Leben entweder sinnvoll oder sinnlos gestalten will.
Aggressives Gegeneinander um geostrategische Einflusssphären, um Rohstoffe, Energiequellen, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte endet immer mit Zerstörung und Krieg.
Nur gerechte Wirtschaftskreisläufe in menschenwürdigem Für- und Miteinander können unsere Existenz ermöglichen.
Erst wir Menschen können die Spontaneität natürlicher Entwicklungslinien in der Kultur unseres Willens aufheben.
Wirklich leben können wir Menschen nur, wenn wir alles dessen wir bedürfen in Gemeinschaft erarbeiten, austauschen, verteilen und nutzen.
Es ist an der Zeit zu fragen was ist das Menschliche, es ist an der Zeit den Blick auf das Überleben zu richten.
Wir müssen um leben zu können vernehmen verbrauchen und verändern, wir können bezweifeln begreifen begehren benutzen beenden und bewahren.
Leben ist ein Vorgang, der nur gegenwärtig geschieht. Das gestern Gelebte kann heute noch sein, aber nicht so, wie es war.
Drei Weisheiten: Antworten findest du, wenn du sie suchst. – Hilfe bekommst du, wenn du zeigst, dass du sie brauchst. – Mitwirken kannst du, indem du auf dich und deine Erfahrungen aufmerksam machst.
Das Maß für politische Entscheidungen muss das Wohl aller Menschen und darf keinesfalls der Geldwerte Vorteil der Finanzoligarchie sein!
Wer sich ein Feindbild ausmalt und in einem Konflikt den Kontrahenten verbal oder mit Handlungen droht ist sich selber Feind. Denn ein Feind der keinen Feind hat kann kein Feind sein. Besser ist es, wenn man miteinander über des Anderen Befindlichkeiten redet.
Wir Menschen brauchen für unser Zusammenleben sowohl das wohlwollende Füreinander als auch das ertragreiche Voneinander um das optimale Miteinander, also die friedliche für alle Beteiligten nutzbringende Zusammenarbeit, gestalten zu können.