Das Pew Research Center ist kein unbeschriebenes Blatt. (1) Es gilt als kompetent, wenn es darum geht, weltweit Haltungen und Trends zu untersuchen. Und es ist kein Zufall, dass nun, in der Sommerpause von diesem Center eine Studie vorgestellt wird, die die Reputation Russlands und ihres Präsidenten Putin zum Inhalt hat. Das besagte Institut hat diese Fragen in vielen Ländern dieser Erde zu ermitteln versucht und kommt zu Ergebnissen, die die Auftraggeber sicherlich erfreuen werden, aber noch kein Grund dafür sind, sich mit dem jetzigen Stand zufrieden zu geben.
Insgesamt ist nach der Studie das Ansehen Russlands weltweit mit 51 % als kritisch bewertet, während immerhin noch 30 % der Weltbevölkerung mehrheitlich Sympathien hegen. Die Länder, in denen Russland sogar überwiegend positiv gesehen wird, sind Indien mit 43 % Sympathiewerten bei 17 % Ablehnung, China mit 51 % positiven bei 37 % kritischen Werten sowie Vietnam bei 75 % Sympathie und 10 % Skepsis.
Anders natürlich der Westen: In den USA sind immerhin 67 % der dortigen Bevölkerung negativ gegenüber Russland eingestellt und nur 22 % haben gute Konnotationen. In Deutschland sind es 70 zu 30. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass sich seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2008 dieser Wert in Deutschland gedreht hat. Da entschied man sich hierzulande endgültig für den Wirtschaftsliberalismus und folglich musste Russland als das stärkste Land des Staatsinterventionismus (2) ideologisch zum Hauptfeind erklärt werden. Die in diesem Fall installierten Manipulationsmechanismen haben Wirkung gezeigt.
Kriege werden in unseren Tagen dann möglich, wenn eine emotional aufgeladene Öffentlichkeit für die Kriegsziele mobilisiert werden kann. Die Blaupausen für diese Erkenntnis in der jüngeren Vergangenheit waren die Kriegsvorbereitungen auf dem Balkan Ende der Neunzigerjahre und die Kampagnen in den USA zur Intervention in den Irak zu Beginn des neuen Millenniums. In beiden Fällen wurde systematisch, permanent und zielgerichtet mit Fehlinformationen gearbeitet, um in der Bevölkerung eine Stimmung zu erzeugen, die eine militärische Intervention möglich machte.
Die Angriffe auf Serbien mit deutscher Beteiligung beruhten auf einem Gefühl der moralischen Verpflichtung, die aus einer gezielt unvollständigen Berichterstattung über Srebrenica resultierte. (3) Der dortigen Tragödie war ein Völkermord auf serbischem Gebiet vorausgegangen, worüber nie berichtet wurde. Und im Irak war es die Produktion von Atomwaffen, die die Amerikaner bedrohte, die dazu herhielt, um die Befürwortung eines militärischen Angriffs zu ermöglichen. Nachweise für diese Behauptung wurden nie gefunden, ganz im Gegenteil, selbst Regierungsmitglieder gestanden später, wissentlich gelogen zu haben.
Nun, nach Veröffentlichung der Studie über Russland, ist damit zu rechnen, dass die Propagandamaschine gegen Russland wieder angeworfen werden wird. Schon mit dem Bericht über die Studie setzen die ersten primitiven Verunglimpfungen gegen Russland und Putin wieder ein. Der Boden für diese Art der Propaganda ist fruchtbar, sonst hätte in sieben Jahren nicht der positive Wert gegenüber Russland in das negative Gegenteil verwandelt werden können. Es gilt, die Kompetenzzentren der Volksverhetzung und des Völkerhasses zu identifizieren und entsprechend anzugreifen. Es kann nicht mehr geduldet werden, dass Kriegstreiberei als Kavaliersdelikt akzeptiert wird.
Zudem sollte der Gedanke schnellstens verscheucht werden, mit einer noch stärkeren Ablehnung Russlands in der öffentlichen Meinung des Westens sei die Chance einer Bezwingung Russlands gleichermaßen gestiegen. Das ist Wunschdenken und Träumerei. Die neuen Allianzen, die sich auch aus der jetzt vorliegenden Studie ablesen lassen, sind in der Lage, Europa zu einem Hinterhof des Weltgeschehens mutieren zu lassen.
– 6. August 2015
Quellen und Anmerkungen
(1) Das Pew Research Center ist ein nichtstaatliches Meinungsforschungsinstitut mit Sitz in Washington. Es wurde anfänglich vom Zeitungskonzern Times Mirror Company (The Los Angeles Times u. a.) finanziert. Etwa ab Mitte der 1990er-Jahre wurde das Pew Research Center von der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation The Pew Charitable Trusts finanziell getragen und ist seit 2004 ein Teil der NGO. Diese setzt sich vor allem für den Schutz der Meere, der Umwelt und des Klimas ein. The Pew Charitable Trusts wurde 1948 von den Kindern von Joseph Newton Pew (1848 bis 1912) gegründet, der seinerseits Gründer des amerikanischen Mineralölunternehmens Sunoco (früher bekannt als Sun Company Inc.) war. The Pew Charitable Trusts soll über ein Vermögen von über 6 Milliarden US-Dollar verfügen.
(2) Der Begriff Staatsinterventionismus beschreibt die in einer grundsätzlich marktwirtschaftlich geordneten Volkswirtschaft bestehende Neigung des Staates, in die Wirtschaft einzugreifen (Intervention).
(3) Das Massaker von Srebrenica war ein Kriegsverbrechen während des Bosnienkriegs (1992 bis 1995). Die Haupttaten ereigneten sich zwischen dem 11. und 19. Juli 1995. Über 8000 Bosniaken wurden von Angehörigen der Armee der Republika Srpska (Vojska Republike Srpske, VRS), serbischen Paramilitärs und Polizei ermordet.
Foto: Vidar Nordli-Mathisen (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „Fundstück: Kriegstrommeln“
„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
– Charta der Vereinten Nationen und Statut des Internationalen Gerichtshofs, Kapitel 1, Artikel 2 Absatz 4 –