Kennt ihn jemand? Dachte ich mir, ich habe auch erst vor kurzem von ihm erfahren. Hans Paasche (1881 bis 1920) war ein deutscher Marine- und Kolonialoffizier, der lange in Afrika gedient hatte. Er selbst bezeichnete sich als “Freund Afrikas”.
Paasche trat für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für Tier- und Naturschutz ein, er bekämpfte den Patriotismus, die Todesstrafe und den Alkoholismus und plädierte für eine Bodenreform, das Frauenstimmrecht und eine “natürliche Lebensweise”.
Wegen seiner Kriegsgegnerschaft wurde Hans Paasche 1917 inhaftiert. Sein Vater schützte ihn vor der Erschießung, indem er ihn in ein Nervensanatorium einweisen ließ. Bei seiner Einlieferung sagte er: “Ich heiße Paasche, war Seeoffizier und bin Revolutionär!”

Den folgenden Text schrieb Hans Paasche vor über hundert Jahren:
“Die weiße Rasse hat in unserer Zeit eine geistige Wandlung von unübersehbarer Wirkung begonnen: ihre Stellung zur Natur, zu allem Lebenden wird eine andere. Das Leid der geschändeten Natur war niemals, seit die Erde besteht, so groß wie jetzt unter der nicht schonenden Macht des Welthandels, des Verkehrs, der Industrie. Maßlos sind die im Nehmen, im Verschleppen und im Füttern ihrer Maschinen. Was irgend die Erde an lebender Schönheit und Pracht hervorbrachte, muss ihnen dienen. Solange noch eine Gazelle lebt, deren Fell auf dem Weltmarkt Wert hat, ein Wal im Eismeer, ein Paradiesvogel im Urbusch entlegener Inseln, solange ruht die geschäftige Betriebsamkeit nicht, gepaart mit menschenunwürdiger Gedankenlosigkeit und Kurzsicht. Aber nicht darin zeigt sich der Mensch als Herr der Natur, dass er die Erfindergabe, die ihm gegeben wurde, dazu benutzt, alles Leben zu vernichten, sondern er wird erst zum Herrn der Natur, wenn er ein gütiger Herr wird, der die Schöpfung tief innerlich versteht und mit jedem hilflosen Geschöpf mitempfindet. Das ist die neue Lehre.”
Am 21. Mai 1920 wurde Hans Paasche von rechtsgerichteten regierungnahen Truppen der Freikorps auf seinem eigenen Grundstück vor den Augen seiner Kinder “auf der Flucht erschossen”. Er war bekleidet mit Badehose und Jacke und trug Sandalen.
Kurt Tucholsky schrieb über Hans Paasche:
“Wieder einer. Ein müder Mann, der müde über die Deutschen sann. Den preußischen Geist – er kannte ihn aus dem Heer und aus den Kolonien, aus der großen Zeit – er mochte nicht mehr. Er hasste dieses höllische Heer. Er liebte die Menschen. Er hasste Sergeanten. … Ein toter Mann. Ein Stiller. Ein Reiner. Wieder einer. Wieder einer.”
Die neue Lehre, von der Paasche sprach, hat auch nach hundert Jahren noch keine Chance, mehrheitsfähig zu werden …
Mehr zu Hans Paasche
Hans Paasche (1881 bis 1920) engagierte sich in der Lebensreformbewegung, sowie im Bund Neues Vaterland gegen die deutsche Kriegs- und Kolonialpolitik. 1918 gehörte er für einige Wochen dem Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin an. Umfangreiche Informationen über sein Leben und Wirken finden sich auf dem Blog https://hanspaaschede.wordpress.com (abgerufen am 23.5.2023).
Ausgewählte Publikationen
Ändert Euren Sinn. Schriften eines Revolutionärs. Hrsg. Helmut Donat und Helga Paasche. (Donat, Bremen, 1992). Verfügbar im Projekt Gutenberg; gesammelte Aufsätze auf https://www.projekt-gutenberg.org/paasche/aufsaetz/index.html (abgerufen am 23.5.2023).
Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland. Herausgegeben von Franziskus Hähnel (Hamburg 1921).
In meinem Buch HEROES, an dem ich gerade arbeite und in dem ich 50 Persönlichkeiten aus den letzten 150 Jahren ein Andenken setzen möchte, ist Hans Paasche ebenfalls vertreten. Meine Heroes sind Menschen, die sich dem zu allen Zeiten galoppierenden Wahnsinn unter hohen Risiken entzogen oder widersetzt haben. Menschen, die Auswege aufgezeigt haben, hin zu einer Gesellschaft, deren Zusammenhalt durch Toleranz und Verständnis geprägt ist. Wobei ich darauf achten werde, nicht ins oberste Regal zu greifen, wo die prominenten Namen lagern. Ich möchte auf jene Helden aufmerksam machen, deren Geschichte nicht schon überall breitgetreten wurde.
Foto: Bundesarchiv (Bild 183-B0527-0001-810; Autor/-in unbekannt, CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5432342) und Privatarchiv Helga Paasche
Dirk C. Fleck (Jahrgang 1943) ist freier Journalist und Autor aus Hamburg. Er machte eine Lehre als Buchhändler, besuchte danach in München die Deutsche Journalistenschule und absolvierte Mitte der 1960er ein Volontariat beim „Spandauer Volksblatt Berlin“. 1976 siedelte er wieder nach Norddeutschland über und arbeitete bei der „Hamburger Morgenpost“, wo er Lokalchef wurde. Später war er Chefredakteur des „Hanse-Journal“, Reporter bei „Tempo“ und Redakteur bei „Merian“. Er arbeitete im Auslandsressort der Wochenzeitung „Die Woche“ und schrieb ab Mitte der 90er Jahre als freier Autor und Kolumnist für Tageszeitungen (u.a. Die Welt) und Magazine wie zum Beispiel Stern, GEO und Spiegel. Seit den 1980ern setzt er sich journalistisch mit den ökologischen Folgen der zügellosen kapitalistischen Wirtschaftsweise auseinander und verarbeitet seine Erfahrungen, Überlegungen und Recherchen in Romanen. Das Buch „Palmers Krieg“ erschien 1992 und beschäftigt sich mit der Geschichte eines Ökoterroristen. „GO! Die Ökodiktatur“ (1993) ist eine Auseinandersetzung mit den Folgen des Ökozid. Außerdem erschienen von Dirk C. Fleck die Bücher „Das Tahiti-Projekt“ (2008), „MAEVA!“ (2011), „Die vierte Macht – Spitzenjournalisten zu ihrer Verantwortung in Krisenzeiten“ (2012) und „Feuer am Fuss“ (2015).
Eine Antwort auf „Hans Paasche: Ein toter Mann. Ein Reiner. Wieder einer. Wieder einer …“
Danke, lieber Dirk. Ich freue mich, obwohl, oder vielleicht weil Patriot bin, diese Zeilen wunderbar finde! Auch hätte bei mir der Buchtitel Helden geheißen und wird ihn auch bekommen,wenn ich es in den Händen habe. Ich bin anders und war es schon “immer”. Ja, und ich kann Deinen Groll verstehen und mag Dich gerade deshalb. Auch ich spüre ihn und habe mich entschieden, vielleicht weil ich sechs Jahre später geboren bin. Mein Groll richtet sich gegen die amerikanische Unipolarität und den Versuch der Umerziehung alles Deutschen. Ich warte auf Deim Werk. Danke